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In diesem Text möchte ich mich mit einer Frage beschäftigen die in der Praxis relativ häufig auftaucht. Unter welchen Voraussetzungen ist es möglich einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn man nicht weiß wo überall Schulden bestehen.
Wie so oft in unserem Themenkomplex gibt es da leider keine abschließende Universalantwort drauf. Es gibt nur Dinge die man tun kann, um das „Ungemach-Risiko“ so gut es geht abzumildern.
Diese Dinge kann man mit folgenden Worten am besten zusammenfassen:
„Möglichst umfangreiche und nachweisbare Recherche.“
Im Insolvenzantrag gibt es in Anlage 6 die Gläubigerliste, in der Antragsteller ihre Gläubiger auflisten müssen. Unter dieser Liste steht der verstörend klingende Satz:
„Es wird unter Strafandrohung sowie unter Androhung der Versagung der Restschuldbefreiung versichert, dass nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht wurden“.
Das sind definitiv erst einmal deutliche und harte Worte.
Genau an dieser Formulierung wird man sich messen lassen müssen, wenn ein „vergessener“ Gläubiger Tabularasa veranstaltet wenn er bemerkt, dass seine, gehen wir mal davon aus, rechtmäßige Forderung im Antrag keine Erwähnung fand.
Das Thema wird von uns Beratern sehr unterschiedlich gehandhabt. Ich persönlich hänge das Thema vergleichsweise hoch, da ich erstens von Natur aus ein gründlicher Mensch bin, zweitens gerne möglichst jedes Ungemachpotenzial ausschließe und drittens bereits an einem eigenen Fall erfahren habe was im schlimmsten Fall passieren kann.
Wenn mir jemand sagt, er hätte im Prinzip nur eine lose Ahnung wo er Schulden hat, da er/sie etwa über Jahre blind für seinen Partner etc. unterschrieben hat oder vor Jahren mal „reinen Tisch“ gemacht hat und alle Multigläubiger-Unterlagen aus Frust in einem Freudenfeuer abgefackelt hat, dann gebe ich folgende Dinge zu bedenken bzw. als Hausaufgaben mit.
Zusätzlich gibt es aus meiner Sicht auch noch Gläubiger, die man einfach nicht vergessen kann bzw. man wohl keinem Richter der Welt mit gesundem Menschenverstand erklären könnte, dass man sie vergessen hat. Selbst wenn sie nicht bei der Recherche auftauchten.
Dies sind etwa Gläubiger von Schmerzensgeldern oder Schadenersatzforderungen zu denen es auch strafrechtliche Geschichten gab. Auch so etwas wie Unterhaltsforderungen oder z.Bsp. Immobiliendarlehen oder Kreditverträge über fünfstellige Summen halte ich für sehr schwierig. So etwas eben.
Wie ich bereits sagte: Ich hänge die Recherche vergleichsweise hoch. Ich kenne Kollegen (und auch Anwälte), denen das fast egal ist oder die bestenfalls mal zu einer Schufaauskuft raten.
Ich persönlich halte das – je nach Geschichte des Ratsuchenden – für deutlich zu wenig und auch für ein wenig fahrlässig.
Grundsätzlich gilt auch das Motto: Lieber zu viel als zu wenig. Wer sich bei bestimmten Forderungen nicht ganz sicher ist ob sie (noch) existieren, gerechtfertigt sind, ggf. durch „Inkassohopping“ doppelt sind etc. schreibt sie im Zweifel immer mit in den Insolvenzantrag!
Die Forderungen müssen im Verfahren ohnehin noch einmal extra von den Gläubigern angemeldet werden und werden zusätzlich gerichtlich geprüft. Es besteht als kein Nachteil dadurch, wenn unter Umständen zu viele Gläubiger in die Liste geschrieben werden.
Nochmal zur Erläuterung:
Man muss nicht all das machen was ich oben geschrieben habe. Man könnte aber sogar noch mehr machen.
Es steht nirgendwo, was man alles braucht und auch nirgendwo, was ausreicht um komplett sicher zu sein.
Es geht immer um den „worst case“. Einem Richter im Einzelfall schlüssig erklären zu können, dass der Gläubiger nicht absichtlich oder grob fahrlässig weggelassen wurde ist eventuell später die Herausforderung, der man sich stellen muss.
Je mehr man dafür an Recherche vorweisen kann, desto besser sind die Chancen, dass es positiv ausgeht.
Wenn man z.b. fünf Gläubiger vergessen hat und nur sagen kann „Aber ich habe doch die Schufa angefragt!“, ist das aus meiner Sicht einfach zu wenig.
Zum Schluss noch ein paar Urteile die zeigen, dass das Thema auf jeden Fall erst genommen werden muss. Ich will damit keine Panik verbreiten, sondern lediglich dazu beitragen, dass niemand das Thema zu sehr auf die leichte Schulter nimmt.
– „Restschuldbefreiung versagt wegen eines fehlenden Gläubigers bei insgesamt 12 angegebenen Forderungen. Der Antragsteller war irrtümlich der Ansicht, dass die gegenständige Forderung bereits in der eines anderen Gläubigers enthalten war. Dem war nicht so.“
LG Stuttgart, 22. März 2002 – 10 T 256/01
– Restschuldbefreiung versagt, da ein Schuldner eine Forderung über 75.000 Euro im Antrag „vergessen“ hatte.
BGH, Beschluss vom 18. Juni 2015 – IX ZB 86/12
– Versagung der Restschuldbefreiung wegen „vergessenem“ Gläubiger in „relevanter Höhe“. Der Schuldner hatte parallel zu seiner Frau einen Antrag gestellt. Bei der Frau war die Forderung aus gesamtschuldnerischer Haftung in der Gläubigerliste enthalten und bei ihm nicht. Alle Gerichte bis zu BGH glaubten das „Vergessen-Argument“ daher nicht und entschieden auf Versagung.
BGH, 24. März 2011 – IX ZB 80/09
– Das man auch Glück haben kann, zeigte das AG Göttingen mit einem vergleichsweise milden Urteil. Eine Schuldnerin „vergaß“ im Antrag eine Forderung der Unterhaltsvorschusskasse in der Höhe von 3500 Euro, hatte während des Verfahrens sogar in dieser Angelegenheit sogar Kontakt zum Gläubiger und meldete die Forderung erst ein Jahr nach Eröffnung auf Hinweis des Treuhänders nach. Dennoch urteile das AG hier milde und wies den Versagungsantrag des Gläubigers zurück.
AG Göttingen, 11. November 2011 – 74 IK 89/09
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