Online Glücksspiel zukünftig erlaubt

[tidus82]

Hey zusammen,

mich würde eure Meinung - vielleicht auch bzw. insbesondere von Betroffenen - zu folgendem "Problem" interessieren:
https://www.tagesschau.de/investigativ/ ... l-111.html

Wird die Sucht dadurch eventuell noch gefördert? Kann man Online-Glücksspiel überhaupt "verbieten"? Was halten Süchtige davon?

Ich persönlich empfinde es als ein Rückschritt der Suchtbekämpfung - ich bin zwar selbst nicht betroffen, bekomme aber immer wieder mit, dass es durch die Glücksspielsucht viele Menschen gibt, die dadurch in den Schuldenstrudel geraten.

Die Diskussion ist eröffnet

[caffery]

Auch wenn ich kein Betroffener bin:

Das Thema hat aus meiner Sicht mehrere Ebenen, die man bei der Bewertung beachten sollte.

Soweit ich weiß, ist die nun beschlossene Duldung von Onlineglücksspielen quasi eine Art Kapitulation. Es hätte einfach keinen Sinn gemacht, wenn es verboten geblieben wäre. Denn existieren tun die Angebote sowieso - in Form von Anbietern aus dem Ausland die nicht unseren Gesetzen unterworfen sind. Entsprechend können "Süchtige" auch jetzt schon problemlos und legal ihre Existenz nach Herzenslust verzocken. Nur hat da bis jetzt (außer in SH) kein deutsches Unternehmen etwas von. Da es unterm Strich aus der Sicht von "denen da oben" wahrscheinlich keinen Sinn macht das Geld der Existenz-Selbstvernichter steuerlich im Ausland vernichten zu lassen - wo dann noch nicht einmal mehr unser Fiskus etwas von hat - war dieser Schritt nur logisch.

Was ich persönlich davon halte ist wahrscheinlich ebenso ambivalent wie streitbar. Auch wenn ich mir damit vermutlich ein paar Sympathien verspiele:
Ich selber bin überzeugter Libertarist. Als solcher halte ich sehr wenig davon die Rechte aller wegen der (und ich meine das so Respektvoll wie es nur irgend geht) Unfähigkeit weniger sich Maßvoll zu verhalten einzuschränken.
Ich z.b. wette gerne alle paar Monate mal 2-5 Euro auf ein Fußballspiel meiner Mannschaft - damit ein ohnehin schon großes Spiel noch ein bisschen mehr Pfeffer bekommt und ich das Siegesbier dann schon refinanziert habe;) Warum sollte mir das verboten werden weil es auch Menschen gibt, die damit nicht umgehen können?

Es gibt auch Menschen, die (scheinbar krankhaft motiviert) zig Handyverträge abschließen weil sie immer das neuste Quark-Phone brauchen. Sollen deshalb Handyverträge verboten werden? Was ist allgemein mit dem Thema Kaufsucht? Was ist mit Zigaretten? Kaffee? Alkohol? Kopfschmerztabletten? Süßigkeiten?

Solche Beispiele kann man praktisch unendlich weiterführen. Es gibt keinen Lebensbereich in dem Menschen ihrem freien Willen unterworfen sind bei dem es nicht einige wenige gibt die da eine krankhafte Beziehung zu haben. Soll man das dann alles für alle verbieten, weil es solche Leute auch gibt? Ich finde nicht - man muss einfach irgendwo eine Grenze setzen. Der Mensch ist in der Regel mit der Fähigkeit geboren rationale Entscheidungen zu treffen. Zumindest sollte dem spätestens zum Eintritt in die Volljährigkeit so sein. Wenn diese Fähigkeit in einem bestimmten Punkt eingeschränkt ist dann ist das aus meiner Sicht - so hart das auch klingen mag - grundsätzlich erstmal keine Sache für den Gesetzgeber sondern eine für den Doktor.

[tidus82]

So kann man das auch sehen - dennoch bin ich nicht der Meinung, dass man das aufweichen sollte, was ganz klar zu Abhängigkeiten führen wird.

Sicher gibt es Gelegenheitsspieler, denen das vielleicht ganz Recht ist - oder gar egal ist. Sicher gibt es Anbieter, die auf Sizilien oder Panama ihre "Dienstleistungen" hier in astreinem Deutsch anbieten. Und sicher umgehen sie damit die deutschen Gesetze.
Aber - es war bisher verboten, und das war meiner Meinung nach zumindest für 1-2 Leutchen vielleicht eine "Abschreckung", die sich jetzt sagen könnten: Jo, probier ich mal.

Man könnte es auch ausweiten auf das Thema Marihuana - ich bin für die teilweise Legalisierung, allerdings unter gesetzlichen Auflagen (wie z.Bsp. dass es nur in Apotheken gegen Rezept ausgegeben wird) - für eine gesamte Legalisierung, dass man es in Straßenshops vllt. mit Paybackpunkten kaufen kann bin ich jedoch nicht.

Meiner bescheidenen Meinung nach - und das sage ich, obwohl ich Raucher bin - würde ich auch Zigaretten verbieten. Oder eine Zuckerobergrenze in Lebensmitteln vorgeben (z.Bsp. darf dann ein Stück Zucker nur noch zu 50% aus Zucker bestehen ). Warum werden krebserregende Stoffe in Lebensmitteln verboten aber Zigaretten können ganz legal erworben werden?

Selbstverständlich: Man kann sich totregulieren indem der Gesetzgeber alles vorschreibt - das wäre wahrscheinlich am Ziel vorbei. Dennoch sollte der Gesetzgeber ja zumindest etwas dafür sorgen (und wenn es durch ein Verbot / die Verfolgung dieses Verbotes), dass sich seine Bürger nicht selbst kaputt machen. Oder zumindest nicht die Verbote lockert, die doch eh schon vorhanden sind.

[caffery]

Ja, so kann man das auch sehen:)

Ich persönlich sehe das aber wie gesagt anders. Aber auch nicht im Sinne von "dogmatisch" anders. Soll heißen - das ist für mich eins der vielen schönen klassischen Standpunkt-Themen und kein schwarz/weiß bzw. richtig/falsch Thema. Also ein Thema eben, über das man wunderbar die Nächte durchdiskutieren kann und bei einer 10 Personengesellschaft immernoch mindestens 18 Standpunkte vorfinden wird.

Von daher wäre auch ich hier sehr gespannt auf weitere Meinungen dazu. Ganz besonders auch von Betroffenen.

[arreis]

Ich habe versucht mir eine Meinung zu bilden,komme bei der Frage, ob es durch die Legalisierung des Online-Glückspiels, zu einer Häufung der Spielsüchtigen kommt, für mich zu keinem Ergebnis.

Aus meiner Sicht muss man die Spielsucht auch in zwei Kategorien unterteilen, zum einem das Glücksspiel und zum anderen das reine Onlinespiel, bei dem man auch Geld einsetzen muss um im Spiel weiter zu kommen, das kann auch schnell zu einer Sucht führen.

Fakt ist aber, dass es bereits unzählige Möglichkeiten gibt,durch die Spielsucht gefördert werden kann,ob nun durch Spielhallen, Wettbüros, Lotterien oder auch Online.

[Witwe Bolte]

Ich habe dazu keine Meinung, da ich zu wenig Kenntnisse/Erfahrungen in Sachen Spielsucht habe.
Gelesen habe ich allerdings, dass etliche Profis durchaus kritisieren, dass die WHO die Glücksspielsucht in den ICD-10 als 'Krankheit' aufgenommen haben, das ist ja wohl noch gar nicht so lange her? 2018 ?
Und dafür (für diese kritischen Meinungen) habe ich durchaus Verständnis.

Es ist ein recht komplexes Thema und eignet sich sicher für ausgiebige Diskussionen.
Dass nun auch die anderen Bundesländer (ausser SH) daran verdienen wollen, ist ja nur ein Teilaspekt.
Bezahlen müssen wir ja jetzt wohl alle dafür, über die KK-Beiträge für die Therapiekosten.
Ebenso wie für die Folgekosten des Nikotin- und Alkoholmißbrauchs usw.

[GernDabei]

So lang man in Deutschland ungestraft einen Lottoschein ausfüllen kann, jede Rennbahn zum Zocken einladen darf und dabei Rauchern und Alkoholikern mit Werbung gehuldigt wird, sollte eigenverantwortliches Onlinespielen in deutschen Casinos mit den vereinbarten Regularien (max. 1.000 € monatl.) erlaubt sein. Wo gelten sonst so selbstschützende Regularien? Bestimmt nicht in Spielhallen und eingangs aufgeführten Möglichkeiten. Der Markt bestimmt die Möglichkeiten und den bisher im Ausland verbliebenen Spielgeldern kann man attestieren, dass diese hier in Deutschland besser aufgehoben sind.

[Käsebrot]

Wenn ich meinen subjektiven Senf dazu geben darf: Deutschland neigt dazu, sich tot zu regulieren. Selbstverantwortung gibt es kaum mehr (was Corona ja ziemlich eindrücklich beweist), Prävention genauso wenig. Letztere darf aber nicht alleine durch Verbote passieren, sondern durch Aufklärung und Sensibilisierung. Vollkommen egal ob bei Glücksspielen, Alkohol, Drogen oder auch der verantwortungslosen Vergabe von verantwortungsvollen Krediten.

[lilomojito]

Wenn ich meine persönliche Meinung äußern kann, würde ich sagen, dass Glücksspiel kaum als Sucht eingestuft werden kann. Es ist ein Psychospiel. Ich stimme mit @Kasebrot überein, dass wir darüber Aufklärung betreiben sollten, aber mehr über Selbstkontrolle glaube ich...

[Peter68]

Warum kann das nicht als Sucht einstuft werden? Klar kann das eine Sucht sein. Manche sind halt dafür empfänglicher als andere.

Genauso könnte man auch argumentieren das man ja auch keine Drogen nehmen brauch wenn man besser aufgeklärt wäre und mehr Selbstkontrolle hat.