Was muss ein Selbständiger abführen?

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Witwe Bolte
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Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von Witwe Bolte »

Ich frage hier für einen Freund, der sich im Forum Schuldnerberatung anmelden wollte, von dort aber keine Antwort erhält.

Er ist im eröffneten Insolvenzverfahren, bekommt ALG2, ist weiter selbständig tätig und die Selbständigkeit ist von seinem Insolvenzverwalter 'freigegeben' (wenn ich das richtig verstanden habe).
Bisher hatte er nur ein geringes Einkommen aus der Selbständigkeit, es könnte jetzt aber mehr werden, hofft er, deswegen die Fragen:
1. Muss er den IV über das Einkommen (WENN es kommt) informieren?
2. Wenn ja, wann? Erst wenn es tatsächlich da ist? Oder schon jetzt, dass es vielleicht kommt?
3. Was muss er dem IV von dem Einkommen abgeben? Wird das vom Umsatz berechnet? Mit oder ohne Umsatzsteuer? Oder von dem, was ihm unterm Strich bleibt? Er hat ja auch Ausgaben, um die Einnahmen zu erzielen.
Alles etwas kompliziert, jedenfalls für einen Laien, deswegen: Hilfe erbeten.
Danke.
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

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Hi Witwe Bolte,

gute Frage, hast du schonmal bei dem Thema "Was muss ein Selbständiger abführen?" geschaut?
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caffery
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von caffery »

Die Antworten auf Deine Fragen sind leider ausgesprochen verdrießlich. Im Idealfall hätte sich Dein Freund natürlich schon umfassend informiert bevor er mit der Selbständigkeit begonnen hat.
MrsRob hat geschrieben: 23. Feb 2019, 07:46 1. Muss er den IV über das Einkommen (WENN es kommt) informieren?
Ja sicher. Obwohl...
MrsRob hat geschrieben: 23. Feb 2019, 07:46 2. Wenn ja, wann? Erst wenn es tatsächlich da ist? Oder schon jetzt, dass es vielleicht kommt?
Das ist streng genommen sogar unerheblich (siehe Antwort auf 3). Es verwundert mich aber ein bisschen, dass sein Insolvenzverwalter ihn nicht bereits entsprechend "eingenordet" hat. (Muss er zwar nicht - i.d.R. tun sie es aber dennoch)
MrsRob hat geschrieben: 23. Feb 2019, 07:46 3. Was muss er dem IV von dem Einkommen abgeben? Wird das vom Umsatz berechnet? Mit oder ohne Umsatzsteuer? Oder von dem, was ihm unterm Strich bleibt? Er hat ja auch Ausgaben, um die Einnahmen zu erzielen.
Nichts davon ist im Grunde erheblich - unterm Strich ist es aber aktuell noch deutlich "schlimmer" als alles was Du vermutet hast. Das ergibt sich aus § 295 Abs. 2 InsO. Ich kopiere es mal rein:

§ 295
Obliegenheiten des Schuldners
(2) Soweit der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

Unterm Strich bedeutet das: Er muss sein Einkommen schätzen, und zwar auf eine Weise als würde er so tun als wäre er in dem Beruf den er selbständig ausübt normaler Angestellter und dieses Geld laut Pfändungstabelle abdrücken. Ob er tatsächlich Einkommen in der Höhe erzielt ist dabei unerheblich. Ist ein Insolvenzläubiger irgendwann mal der Ansicht, er hätte sein "fiktives" Einkommen zu niedrig geschätzt, kann er einen Versagungsantrag stellen. Wenn Dein Freund das überhaupt nicht gemacht hat (wie scheinbar aktuell) natürlich umso eher.
Soll heißen: Das was Dein Freund da macht birgt wahrscheinlich ein irres Ungemach-Potential dem er sich aktuell in keiner Weise bewusst zu sein scheint. Er sollte sich also dringend besser über seine Situation informieren und sich ziemlich zügig darüber Gedanken machen, ob er sich nicht lieber in eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bewerben möchte.
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Witwe Bolte
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von Witwe Bolte »

Danke für Deine ausführliche Antwort, caffery.
Dazu ein paar Fragen:

1. Gilt denn der § 295 (2) InsO bereits?
Er ist ja noch im "eröffneten" Verfahren und im Absatz 1 steht dort
" ... in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens ..."

2. Ja, er bewirbt sich natürlich schon lange um eine richtige Vollzeitstelle (muss er ja auch fürs Jobcenter),
doch wegen seinem Alter, fast 60, und keiner richtigen Berufsausbildung sieht es schlecht für ihn aus,
doch er ist nicht der Typ, der die Hände in den Schoß legt, er will ja was machen.
Und bis er was richtiges findet, probiert er es eben mit der Selbständigkeit.

Mit seinem Insolvenzverwalter hat er bisher nur einmal gesprochen, gleich zu Beginn des Verfahrens,
dann hatte der ja die Selbständigkeit 'freigegeben' und ihm gesagt, er müsse sich aber weiter um eine feste Vollzeitstelle bewerben. Mehr weiß er von dem Gespräch nicht mehr, sagt er.
Doch: das er dem IV jeden Monat 10,00 Euro zahlen sollte, die hat der bisher aber nicht schriftlich angefordert, aber die Zehner hat mein Freund seitdem jeden Monat auf die Seite gelegt (sind inzwischen schon einige).
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ichhabwasvergessen
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von ichhabwasvergessen »

Mündliche Zusagen, wie z.B. die 'Freigabe' einer selbständigen Tätigkeit, zählen im Grunde nichts.

Ich erinnere mich ansonsten nur an der verzweifelte Augenrollen meines IV, als ich ihn darauf ansprach, eventuell wieder in kleinem Rahmen selbständig tätig werden zu wollen und seine spontane Bitte, doch damit zu warten, bis ich in der WVP sei. Im eröffneten Verfahren sei das eine für alles Seiten eher unerquickliche Sache. Ich hab es dann auch gelassen.
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Witwe Bolte
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von Witwe Bolte »

@ichhabwas...
das war schriftlich, nicht mündlich.
Was bedeutet denn "unerquicklich", könntest Du das näher erläutern?

@caffery
keine Antwort auf meine Nachfrage?
Schade.

Aber vielleicht fällt jemand anderem noch was dazu ein?
Das wäre echt supernett!
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caffery
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von caffery »

MrsRob hat geschrieben: 23. Feb 2019, 12:08
1. Gilt denn der § 295 (2) InsO bereits?
Er ist ja noch im "eröffneten" Verfahren und im Absatz 1 steht dort
" ... in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens ..."
Ja, was ich schrieb gilt grundsätzlich vollumfänglich auch schon im eröffneten Verfahren.
MrsRob hat geschrieben: 23. Feb 2019, 12:08 2. Ja, er bewirbt sich natürlich schon lange um eine richtige Vollzeitstelle (muss er ja auch fürs Jobcenter),
doch wegen seinem Alter, fast 60, und keiner richtigen Berufsausbildung sieht es schlecht für ihn aus,
doch er ist nicht der Typ, der die Hände in den Schoß legt, er will ja was machen.
Und bis er was richtiges findet, probiert er es eben mit der Selbständigkeit.
Das ist zwar alles grundsätzlich nachvollziehbar, aber auch das ist leider alles unerheblich. Es bleibt grundsätzlich bei dem was ich schrieb.
MrsRob hat geschrieben: 23. Feb 2019, 12:08
Was bedeutet denn "unerquicklich", könntest Du das näher erläutern?
blöd, ungut, suboptimal, beschissen, unerfreulich, stressig, nervig, anstrengend oder auch "irres Ungemachpotenzial".
MrsRob hat geschrieben: 23. Feb 2019, 12:08 Aber vielleicht fällt jemand anderem noch was dazu ein?
Ich wüsste spontan nicht, was einem dazu noch einfallen sollte. Manchmal sind die Dinge eben so wie sie sind. Vielleicht läuft ja bei Dir alles glatt und niemand moniert eure etwas unorthodoxe und in meinen Augen völlig rechtsunsichere 10-Euro-Regelung (wenn die überhaupt was damit zu tun hatte) und alles wird gut. Ich würde das Risiko aber nicht eingehen wollen.
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ichhabwasvergessen
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von ichhabwasvergessen »

MrsRob hat geschrieben: 26. Feb 2019, 08:31 @ichhabwas...
das war schriftlich, nicht mündlich.
Was bedeutet denn "unerquicklich", könntest Du das näher erläutern?
Ich habe mich durch deine Anführungszeichen beim 'freigegeben' zur Schlussfolgerung verleiten lassen. dass es sich nicht um eine echte Freigabe handelt. Da es aber wohl doch um eine korrekte Freigabe ging, ist damit der Hinweis auf die vielfältigen Unerquicklichkeiten (Übersetzung s. Caffery) weniger bedeutsam geworden.

Trotzdem bleibt auch mit Freigabe ein erhöhter Aufwand für den TH erhalten, für den er angesichts geringer Einnahmen wohl, wenn überhaupt, nur spärlich entlohnt werden dürfte. Wozu er wenig Lust verspüren wird. Es sei denn, er sieht eine Möglichkeit, möglichst viel vom Ertrag doch in die Insolvenzmasse zu überführen, was wiederum für den Schuldner nicht so erfreulich ist. Es kann z.B. Konflikte geben über nötige Betriebskosten und/oder verschleierte Entnahmen usw. usw. ...
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caffery
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von caffery »

Es geht hier für den Schuldner bei der Freigabe doch weniger darum ob der Verwalter/TH dann jetzt weniger Aufwand mit der Geschichte hat, sondern dass er nicht mehr für die Selbständigkeit haftet.
Genau das führt ja dazu, dass der Insolvenzschuldner selbst dafür Sorge tragen muss ein angemessenes fiktives Einkommen abzuführen.

Dem IV/TH kann es nach der Freigabe doch relativ wurscht sein ob ein Gläubiger da irgendwann mal einen Versagungsantrag draus schnitzt oder nicht. Für den Schuldner selbst aber werden die möglichen "Unerquicklichkeiten" dadurch doch nicht weniger.
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ichhabwasvergessen
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von ichhabwasvergessen »

@Caffery
Gehört es denn nicht zu den Aufgaben des IV, die Höhe der Abführungen, wie wenn der Schuldner ein angemessenes Arbeitsverhältnis eingegangen wäre, zu überprüfen?
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caffery
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Re: Was muss ein Selbständiger abführen?

Beitrag von caffery »

Meines Wissens nicht oder allenfalls bedingt. Ich kenne es zwar so, dass die Verwalter in solchen Fällen den Schuldner ins Gebet nehmen und eher dazu neigen ein tendenziell hohes fiktives Einkommen anzusetzen - "müssen" tun die das aber meines Wissens nicht da die Obliegenheit laut § 295 Abs. 2 InsO, bzw. das Risiko eines Versagungsantrags bei zu gering angesetztem Einkommen ja allein beim Schuldner liegt. Allerdings haben die Verwalter aber auch aufgrund ihrer Vergütung in aller Regel ein gewisses Eigeninteresse an diesen Einnahmen - weswegen es mich etwas wundert warum der Verwalter sich hier scheinbar mit 0 bis 10 Euro zufrieden zu geben scheint.

Die Verwalter schreiben den Zusammenhang dann wie er sich ihnen dargestellt hat in ihren Bericht und dann sind die Gläubiger am Zuge.
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