Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht beschlossen

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caffery
praktischer Schuldnerberater
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Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht beschlossen

Beitrag von caffery »

Gestern hat das Kabinett des Bundesministeriums für Justiz einen Gesetzesentwurf zum Thema Inkassokosten beschlossen:

https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemi ... kasso.html

Eine angeregte Diskussion zum Thema gut oder schlecht wäre an dieser Stelle jetzt mehr als angemessen ;)

Ich steige nach dem ersten Durchlesen zunächst mal mit meinem absichtlich sehr allgemein gehaltenen ersten Eindruck ein:

Besser als nichts aber ... naja...
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arreis
Wissender
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Re: Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht beschlossen

Beitrag von arreis »

Sicherlich vergisst man mal eine Rechnung zu bezahlen oder ist der Meinung, dass man sie bereits beglichen hat.

Ich kenne es dann allerdings nur so, dass man von den entsprechenden Zahlungsempfängern zunächst mal eine Zahlungserinnerung oder eine Mahnung, deren Gebühren recht gering sind, bekommt.

Wer seine Rechnungen dann nicht bezahlt, kann - oder will es nicht.

Der Gesetzesentwurf stellt sich für mich so dar, dass gezeigt werden soll, dass etwas gemacht wurde, hat aus meiner Sicht aber weder Hand noch Fuß.
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caffery
praktischer Schuldnerberater
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Re: Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht beschlossen

Beitrag von caffery »

Je häufiger ich es lese, desto schlimmer finde ich es eigentlich.

Es fängt schonmal damit an, dass die vorgebliche "Entlastung" ja von den bislang von der Branche im Prinzip frei erdachten Höchstsätzen ausgeht. Also der Mittelgebühr für eine durchschnittlich aufwändige Anwaltstätigkeit.
Diese war ja noch nie von irgendeiner Rechtssprechung gedeckt - sondern allein von der Branche festgelegt. Das wird hier einfach als Fakt angenommen. Wenn immer sich ein Gericht des Themas angenommen hat, wurde ja in aller Regel ein Satz zwischen nichts (Mahnschreiben - 3 Euro) und einer 0,5er Gebühr, zuletzt einer 0,3er Gebühr für "Schreiben einfacher Art" laut RVG für angemessen erachtet - niemals aber eine 1,3 Gebühr. Letzteres wird hier aber dennoch einfach so als Ausgangsfakt in den Raum gestellt.

Weiterhin ahne ich in dem Zusammenhang böses bei dem Wörtchen "im Regelfall". Das kann doch nicht deren ernst sein!? Das bedeutet doch, dass schon ab dem zweiten automatischen Flatterpostschreiben, eine 1,0 Gebühr "im Regelfall" angemessen ist. Erstens muss ein Anwalt um eine 1,0er Gebühr abzurechnen überall im Land weit mehr tun als ohne Prüfung des Einzelfalls zwei vorformulierte Flatterbriefe rauszuschicken. Zweitens war die Branche ja schon immer kreativ darin so zu tun, als wäre jeder Vorgang eben kein Regelfall sondern ein ganz besonderer Einzelfall.
Also im Prinzip ändert sich doch durch diesen Entwurf nichts, außer dass das Erheben mindestens einer 1,0er Gebühr nach dem zweiten Flatterlappen rechtlich in Stein gemeißelt wird. Und wir ahnen alle, wie schnell die in Kürze ihren zweiten Flatterbrief verschicken können...

Der Passus mit der Einigungsgebühr mutet ebenso düster an. Auch hier war es schon immer eine rein subjektive Rechtsauslegung der Branche überhaupt ohne Weiteres eine Einigungsgebühr erheben zu können. Der § 98 ZPO und die mehr als naheliegende Möglichkeit diesen auch für den vorgerichtlichen Bereich rechtsdogmatisch zu übernehmen wird hier völlig ignoriert.

Richtig Angst macht auch der Satz "Die Ungleichbehandlung von Inkassodienstleistern und Rechtsanwälten im Bereich der Geltendmachung von Kosten im gerichtlichen Mahnverfahren soll abgeschafft werden."
Bislang darf das Inkassobüro eine Pauschale von 25 Euro für sowas nehmen. Eine Inkassokanzlei nach RVG eine 1,3er Gebühr (für die gilt die Pauschale nicht). Natürlich führt die Titulierung aktuell fast immer der Inkassoanwalt durch, damit die im Gegensatz zur RVG rechtlich unzweideutige 25 Euro Pauschale nicht bei der Kostenberechnung stört ;)
"Die Ungleichbehandlung" abschaffen kann man sprachlich so auffassen, dass man einfach die "lästige" 25 Euro Pauschale des § 4 Absatz 4 Satz 2 RDGEG streichen könnte. Schon gäbe es keine Ungleichbehandlung mehr.
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Witwe Bolte
Guru
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Re: Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht beschlossen

Beitrag von Witwe Bolte »

Danke für Deine Infos und Deine Meinung zur Sache.
Mir ist/war das zuviel Text zum Lesen.

Ich finde allerdings, dass es höchste Zeit wird, diese Inkassobuden zu kontrollieren und zu reglementieren.
Es ist einfach ein Unding, dass sich Schulden allein durch Inkasso-"Gebühren" vervielfachen.

Schon diese Wortwahl "Gebühren" ist m.E. kriminell, denn sie soll "was Amtliches" vortäuschen.

Würden Inkassofirmen schreiben:
"Wir erlauben uns, Ihnen für unsere Bemühungen das Doppelte (oder Drei- und Vierfache) in Rechnung zu stellen",
dann wäre eher deutlich, dass das reine Phantasie-Preise sind und keine "Gebühren".

Ich finde, dieser Branche haftet der Geruch von Leichenfledderei an!
Wer das Inkasso-Geschäft "outsourcen" will, dann doch einen Anwalt beauftragen.
Der hat sich zumindest an das RVG zu halten.
Oder sehe ich das falsch ?
Die ganze Inkasso-Branche gehört verboten!
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caffery
praktischer Schuldnerberater
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Re: Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht beschlossen

Beitrag von caffery »

MrsRob hat geschrieben: 25. Apr 2020, 18:54 Der hat sich zumindest an das RVG zu halten.
Oder sehe ich das falsch ?
Inkassobuden müssen sich - zumindest im vorgerichtlilchen Bereich - ja auch an die RVG halten. Das war die wesentliche Neuerung des letzten kläglichen Versuchs des Gesetzgebers der Inkassobranche bei ihren Kosten Einhalt zu gebieten.
Vorher haben die im Prinzip irgendwas berechnet.
(Wer schonmal in den Genuss gekommen ist bspw. eine Aufstellung von HFG zu einer 10-20 Jahre alten Forderung zu sehen, versteht sehr gut was ich meine)
Während der Titulierung und im nachgerichtlichen Bereich dürfen die ein paar Dinge nicht wie Anwälte berechnen - deshalb kooperieren die ja fast immer mit einer Inkassokanzlei - nicht selten im Büro nebenan.
Das Ergebnis erleben wir dann heute. Inkassobuden und Inkassoanwälte bilden praktisch immer eine Art Zweigestirn und reichen sich die Forderungen auf eine Weise hin und her, augenscheinlich damit stets die höchstmögliche Gebühr abgerechnet werden kann. Dabei unterscheiden sich deren Schreiben mitunter praktisch nur durch den Briefkopf.

Inkassodienstleister sollen doch vom Grundgedanken her den Forderungseinzug durch massentaugliche Verfahren vereinfachen - eben weil sich die Gläubger selbst nicht darum kümmern können/wollen und eine seriöse Anwaltskanzlei sich unmöglich um so viele Fälle im Detail kümmern kann, dass es für die Gläubiger wirtschaftlich wäre.

Das ist ja auch für die Gläubiger eine tolle Sache. Aber da es das Ganze doch offenkundig vereinfacht - und es das ja auch soll - versteht es sich aus meiner Sicht nicht mit dem Grundsatz, dass nur ein Schaden beim Verbraucher geltend gemacht werden darf der überhaupt entstanden ist.

Wenn eine Inkassobude also für den Verbraucher genauso teuer sein (und nach geltendem Recht grundsätzlich erstmal auch darf) soll wie ein Anwalt, dann verstehe ich die Welt schon nicht mehr.
Wenn diese Buden dann so tun dürfen, als hätten sie bei jedem ihrer unzähligen Fälle den gleichen Aufwand (und demnach die gleichen Kosten) wie ein Anwalt der sich um jeden Fall einzeln kümmert - dann bin ich erneut von den Socken.
Wenn die kooperierenden Kanzleien im Prinzip genau dasselbe Masseninkasso betreiben wie die Inkassos selbst - eben nur durch den Briefkopf mit Menschen die ein Jurastudium abgeschlossen haben manches anders berechnen dürfen - dann ist doch das ganze System ganz grundsätzlich fürn knallroten Sack.
Wenn es aber dann noch solche Inkasso/Anwalt-Kombinationen wie Sand am Meer gibt - die eigentlich nur durch den Briefkopf zu unterscheiden sind und sich die Forderungen nach ihrem Gusto durch den Flur hin und herreichen dürfen - augenscheinlich je nachdem wer von beidem zu welchem Stand des Verfahrens die höhere Gebühr berechnen darf - dann bin ich fast schon bei sowas wie Bananenrepublik.
MrsRob hat geschrieben: 25. Apr 2020, 18:54 Die ganze Inkasso-Branche gehört verboten!
Die brauchen nicht verboten zu werden. Sie sollen genau das machen dürfen wofür sie da sind - eine durch Massenverfahren vereinfachte und dadruch wirtschaftliche Rechtsdienstleistung anbieten und durchführen. Da sie aber eben massenhaft und vereinfacht ist, sollen sie auch nur genau dafür Kosten berechnen dürfen - und eben nicht in Richtung Verbraucher so tun dürfen als wenn sie jeden ihrer unzähligen Fälle einzeln wie ein Fachanwalt bearbeiten - den sie ja eigentlich ersetzen sollen.

Wenn man weiter davon ausgeht, dass sich Inkassos nach der RVG richten sollen gibt es da sogar einen Passus der wie Faust aufs Auge passt: – Nr. 2301 VV RVG - Schreiben einfacher Art. (also 0,3er Geschäftsgebühr - fertig aus)
Das ist für meine Begriffe so offensichlich, dass es beißt. Das hat der BGH auch so gesehen - BGH Beschluss v. 14.03.2019 - 4 StR 426/18
Leider haben sie da scheinbar Frau Lambrecht nichts von gesagt...
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