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Heute besonders leicht Schulden machen

Verfasst: 8. Dez 2019, 13:04
von Sawyer30
Ich habe mich in der letzten Zeit viel mit Banken befasst und allgemein der Situation heute in Bezug auf das Schuldenmachen. Im Grunde genommen gibt es in diesem Fall, wenn man es so will, oft zwei Schuldige. Der Schuldner, also man selbst und auch die Banken, die einem trotz hoher Schulden oft noch Kredite geben.

Sicher, so funktioniert unser Wirtschaftskreislauf. Aber ich denke oft, dass es noch nie so leicht für Leute war, Schulden zu machen, wie heutzutage. Viele Menschen kommen ja gar nicht durchs Leben, ohne nicht einmal irgendwo Schulden gemacht zu haben. Sei es als Student mit Krediten, die man später zurückzahlt oder später als Familie mit dem Hausbau. Schulden sind Schulden.

Aber es geht zu einfach. Ich habe damals meinen ersten Kredit trotz befristetem AV bekommen. Zwar nur eine kleine Summe, aber damit ging es schon los. Beim Kauf einer Couch im Möbelhaus erhielt ich neben der Couch noch eine Kreditrahmenkarte mit 2.500 Euro. 2.500 Euro sind viel Geld, aber die wollten damals nichts sehen, außer einen Ausweis. Fertig. Damit konnte man kostenlos Geld abheben, aber die Rückzahlung war teuer.
Geht man heute z.B. in Elektrogeschäfte, bekommt man vieles auf Raten. Schnell abgewickelt, hat man die neueste Technik auf Pump zu Hause. Hierauf fallen auch viele rein, die sich im Leben nicht so gut fühlen und damit ihre Probleme kompensieren wollen. Selbst Kleidung erhält man im Internet auf Raten.

Und wenns gar nicht mehr läuft, machts auch einen Kredit ohne Schufa aus Liechtenstein. So "einfach" ging das die ganze Zeit, bis ich selbst nach Jahren hin und her Geldaufnehmerei am Ende war.

Irgendwann sagt auch die letzte Bank "es gibt nichts mehr", aber meist erst dann, wenn es eh schon zu spät ist. Ich hatte mal eine Autofinanzierung abgeschlossen, deren Vertragsannahme nicht mal 5 Minuten dauerte. Ich ging ins Autohaus, hatte einen Berg Schulden hinter mir, dachte, dass ich das Auto nie bekomme. Trotzdem ging es durch, denn die verdienen mit dem Abschluss auch Geld. Wie sie es zurückbekommen und ob, das ist erstmal zweitrangig für die.

Es liegt oft an einem selbst. Aber viele verheimlichen, dass sie Schulden habem, oft auch vor ihrer eigenen Familie und wollen weiterfunktionieren. Schämen sich zuzugeben, dass sie gescheitert sind und nehmen weiter auf, um das gute Bild aufrechtzuerhalten. Im Grunde ist alles eine Farce, aber auch die gesellschaftliche Erwartungshaltung. Du musst etwas präsentieren. Du musst mithalten können, ansonsten fällst du ins Abseits.

Das dachte ich immer. Meine letzten Jahre waren geprägt von tiefem Verlust, Versagen und Niederlagen, aber auch von Erkenntnissen, Lernprozessen und langsam einem besseren Gewissen (ich hatte wirklich durch meine Schulden viel Mist gebaut!). Was ich damit sagen will - abgesehen von meiner Schuldensituation, die bald dank der Schuldenberatung geklärt sein wird - geht es mir wieder viel besser. Ich sehe irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels, auch wenn es durch eine bevorstehende Insolvenz noch einige Jahre dauern wird. Aber ich habe ein Ziel vor Augen, habe Leute kennengelernt, die mich so nehmen wie ich bin und der Rückhalt von Freunden, denen es egal ist, ob du am Monatsende auf die Pauke hauen kannst oder nicht. Die kommen dann eben vorbei und bringen was zu Essen mit. Das ist für mich in der Zwischenzeit viel mehr Wert als das ganze Geld, das ich irgendwo auch verprasst habe.

Und es macht am Ende auch Freude, mal wieder ein paar Euro sparen zu können. Ich spare z.B. nun auf ein neues Bett. Es dauert zwar seine Zeit, bis ich es zusammen haben werde, aber es ist dann mein Bett. Voll bezahlt. Ohne schlechtes Gewissen, wieder etwas aufgenommen zu haben.

Und wenn man so weit ist, dann weiß man, dass man auf dem guten Weg ist.

Euch allen einen schönen zweiten Advent.

Re: Heute besonders leicht Schulden machen

Verfasst: 8. Dez 2019, 14:31
von caffery
Sawyer30 hat geschrieben: 8. Dez 2019, 13:04 Im Grunde genommen gibt es in diesem Fall, wenn man es so will, oft zwei Schuldige. Der Schuldner, also man selbst und auch die Banken, die einem trotz hoher Schulden oft noch Kredite geben.
Das kann man so sehen. Ich persönlich lege aber (notgedrungen) mehr wert auf die Eigenverantwortung der Leute. Ich denke, dass es in der heutigen Zeit keine Alternative zu diesem Ansatz gibt, denn die Welt wird sich so schnell nicht verändern. Es liegt an jedem selbst damit umzugehen - die ganze Verantwortung auf andere, die Welt, das System oder was auch immer zu schieben mag für das Gewissen oder das Selbstwertgefühl hilfreich sein, es führt aber aus meiner Sicht zu nichts.
Sawyer30 hat geschrieben: 8. Dez 2019, 13:04 (...)
Aber es geht zu einfach.
(...)
Es ist aber aus meiner Sicht genauso gewollt - und es wird sich weiter verstärken. Anders würde das System nicht mehr funktionieren. Seit Dekaden predigt die Politik mit wachsender Begeisterung "Vorfahrt für Wachstum"! Was bedeutet das? Das bedeutet, dass jedes Wirtschaftsunternehmen in jedem Jahr mehr erwirtschaften muss als im Jahr davor. Es muss "wachsen" - in jedem Jahr ein bisschen mehr als im Jahr zuvor. In der ersten Zeit hat das noch mit den Wirtschaftsteilnehmern (Konsumenten) funktioniert, die das Geld auch hatten. Wir haben mitterweile längst den Punkt überschritten. Die Nummer mit dem Wachstum hätte schon längst nicht mehr funktioniert, wenn man nur die Leute konsumieren ließe, die es sich auch erlauben können.
Sawyer30 hat geschrieben: 8. Dez 2019, 13:04 Du musst etwas präsentieren. Du musst mithalten können, ansonsten fällst du ins Abseits.
Das sehe ich komplett anders. Vielleicht bin ich da auch in eine andere "peer group" reingewachsen. Im Prinzip ist es aus meiner Sicht eine Sache von Bedürfnisregulierung. Vielleicht komme ich noch aus der letzten Generation bei der dies Teil des erzieherischen Standards war.
Wir Menschen sind von Natur aus gierig. Wenn wir ein Bedürfnis haben, wollen wir es befriedigen. Im Prinzip ist jedes Lebewesen von Geburt an so. Bislang wurde uns dies quasi grundsätzlich während der Erziehung abtrainiert. Wir haben gelernt zu verzichten - für einen Wunsch zu arbeiten bevor wir uns daran erfreuen können.
Das macht mir am meisten Sorgen. Jeder kennt die gute, alte Quengelware an den Supermarktkassen. Die gibt es schon seit Jahrzehnten und sie zielt genau darauf ab was ich meine. Heute ist quasi die ganze Welt voll mit Quengelware. Das Internet ist voll davon, der Briefkasten, jedes Geschäft. Die junge Generation ist schon im einstelligen Alter eine marktrelevante Zielgruppe. Es gibt Influencer die ihnen sagen, was sie haben müssen. Spätestens mit der Volljährigkeit werden die Leute praktisch angebettelt ihre Bedürfnisse zu befriedigen - alle - sofort!
Ich sehe nicht viel wo dagegen gesteuert wird. Schulen, Bildung, Politik, Kampagnen - nix. Aus meiner Sicht sind wir im Begriff in der Evolution einen Rückschritt zu machen. Wir sollen nicht mehr lernen unsere Bedürfnisse zu regulieren, damit wir dem System helfen in der aktuellen Form weiter existieren zu können.

Ich hoffe, dass wurde jetzt nicht zu politisch;) Nein, ich trage keinen Aluhut!;)
Sawyer30 hat geschrieben: 8. Dez 2019, 13:04
Und es macht am Ende auch Freude, mal wieder ein paar Euro sparen zu können. Ich spare z.B. nun auf ein neues Bett. Es dauert zwar seine Zeit, bis ich es zusammen haben werde, aber es ist dann mein Bett. Voll bezahlt. Ohne schlechtes Gewissen, wieder etwas aufgenommen zu haben.

Und wenn man so weit ist, dann weiß man, dass man auf dem guten Weg ist.
Das ist schön zu lesen. Ich würde mir aber wünschen, dass die jungen Leute dies auch wieder zu schätzen wissen ohne Deine Erfahrung vorher gemacht zu haben.
Sawyer30 hat geschrieben: 8. Dez 2019, 13:04 Euch allen einen schönen zweiten Advent.
Das wünsche ich euch auch. Möget ihr alle möglichst wenig dem jährlichen Höhepunkt des Konsumwahnsinns (Weihnachten) anheimfallen (müssen) und euch an dem erfreuen wofür man kein Geld braucht. Familie, Freunde, Nähe, Gemeinsamkeit...

... und danke für Deine offenen Worte:)

Re: Heute besonders leicht Schulden machen

Verfasst: 8. Dez 2019, 19:21
von Käsebrot
Ich kann dir da irgendwie mitfühlen. Mein Pump-Auto hätte ich damals nie gedacht, dass ich es bekomme. Der Kredit ließ sich problemlos umschulden, das Kreditkartenlimit wurde nach Einmalzahlung der Schuldsumme einfach verdoppelt, die zweite Kreditkarte erhielt ich als „Werbegeschenk“.

Heute will ich nichts mehr auf Pump haben, zumindest nicht in der Masse wie es zu meinen Hochzeiten der Fall war (habe mir letztes Jahr ein neues Handy gegönnt, nachdem ich mindestens ein halbes Jahr darüber nachdachte, ob ich mich wirklich zwei Jahre knebeln will. Das war‘s dann aber auch und dieser Posten gehört nun eben zu meinen Fixkosten egal was passiert).

Zu Beginn der Insolvenz war ich froh über Freunde, die mir ausgeholfen haben, damit ich auf die Beine komme. Die wollten ihr Geld zwar auch zurück haben, haben das aber nicht an Bedingungen geknüpft, was es mir natürlich enorm erleichtert hat.

Wenn ich heute am Geldautomaten stehe und dort für leicht zu bekommende und günstige Kredite geworben wird, bekomm ich das kalte Kotzen. Klar, vieles liegt sicher in der Verantwortung des Einzelnen selbst, andererseits zähle ich mich selber z. B. zu den Menschen, die Geld lange Zeit als scheinbar unbegrenzte Ressource kennen gelernt haben (bereits während meiner Kindheit und Jugend durch meine Eltern). Und plötzlich stand ich da mit einem höheren Minus als dem Plus...

Inzwischen bin ich fast geizig geworden, zumindest bei größeren Anschaffungen 😅 Ich hätte gerne nen Wäschetrockner, finanziell wäre der momentan problemlos drin, aber dann wäre fast all mein mühsam Erspartes mit einem Schlag weg. Deswegen muss der Wäscheständer noch ein bisschen seinen Dienst verrichten. Den Saugroboter schenke ich mir zu Weihnachten und habe mich da für ein günstiges Modell inkl. Rabatt entschieden 😁

Re: Heute besonders leicht Schulden machen

Verfasst: 8. Dez 2019, 21:47
von arreis
Das man leicht Schulden machen kann, war vor 25 Jahren schon fast genau so. Der eventuell vorhandene Unterschied, damals haben die Banken dann doch irgendwann den riegel vorgeschoben, waren aber nicht wirklich bereit vernünftige Lösungen zu finden oder anzunehmen.

Für mich waren Schulden damals eigentlich normal, heute sehe ich das anders. ich lege das Geld zur Seite, dass die Höhe der Pfändungen entspricht, die ich bis zum Ende meiner Inso hatte. Ich kaufe ein Teil dann eben ein paar Monate später oder vielleicht sogar gar nicht, weil ich Zeit habe zu überlegen, ob ich das Teil überhaupt brauche. :D

Re: Heute besonders leicht Schulden machen

Verfasst: 9. Dez 2019, 07:51
von S.Nitschke
Sawyer30 hat geschrieben: 8. Dez 2019, 13:04 Ich habe mich in der letzten Zeit viel mit Banken befasst und allgemein der Situation heute in Bezug auf das Schuldenmachen. Im Grunde genommen gibt es in diesem Fall, wenn man es so will, oft zwei Schuldige. Der Schuldner, also man selbst und auch die Banken, die einem trotz hoher Schulden oft noch Kredite geben.......
Sorry, dem kann ich nicht zustimmen. Deine Argumentation ist zu oberflächlich, pauschalierend und Du versuchst Deine Erfahrungen und Erlebnisse mit Schulden auf "Viele" zu spiegeln. Nimm es mir bitte nicht übel, klingt nach zu viel Konsum vom Boulevardpresse und Privatfernsehen. Die häufigsten Überschuldungsgründe sind noch immer

•Arbeitslosigkeit
•Erkrankung, Sucht, Unfall
•Trennung, Scheidung, Tod
•Unwirtschaftliche Haushaltsführung
•Gescheiterte Selbstständigkeit

Es gibt kein pauschales Muster gibt, wie jemand in eine Überschuldung gerät. Die Ursachen sind breit gestreut, es gibt für Schulden keine so einfachen Erklärung. Alles andere hat Caffery schon ausgeführt ......

Re: Heute besonders leicht Schulden machen

Verfasst: 9. Dez 2019, 11:00
von insolaner
S.Nitschke hat geschrieben: 9. Dez 2019, 07:51 •Unwirtschaftliche Haushaltsführung
... Und wenn einem dann trotzdem noch der 190"-Superflach-habenmuss-TV zu 0% angedreht wird, liegt die Schuld natürlich ausschliesslich beim schwachen Käufer, der sich hat überreden lassen?

Wenn das System nicht so wäre, wie es ist, wären mit Sicherheit auch die Konsumschulden und dadurch entstehenden Schicksale geringer - und einige andere Punkte mehr...

Re: Heute besonders leicht Schulden machen

Verfasst: 9. Dez 2019, 12:20
von caffery
Also erstmal: Es ist natürlich immer schlecht zu verallgemeinern und das will ich auch nicht. Es gibt weiterhin sehr viele Schuldner die nicht in der Situation sind, weil sie ihre Bedürfnisse nicht regulieren konnten. Viele sind in die Situation geraten durch Dinge, die absolut jedem (auch mir) passieren könnten.
Gescheiterte Selbstständigkeit, Tod des Partners, Scheidung, Arbeitslos geworden, Immobilienfinanzierung geplatzt etc.

Für diese Personen ist es mitunter sogar sehr schwierig nicht mit denen die einfach zu viel konsumiert haben in einen Topf geschmissen zu werden.

Was ich aber sagen will: Die Menge derer die nach meinem Eindruck ihre Bedürfnisse nicht ausreichend regulieren können und sich dadurch überschulden (was statistisch unter dem Punkt "unwirtschaftlilche Haushaltsführung" läuft) steigt gewaltig - ganz besonders unter jungen Leuten. Das Problem sollte man einfach mal wahrnehmen und damit arbeiten. Viele meiner Kollegen sehen das anders. Vermutlich weil sie denken, dass ich unsere Klientel mit so einer Aussage "schlecht mache". Ich sehe das anders. Das Problem ist da und schreitet fort - es zu ignorieren aus irgendwelchen angeblichen Befindlichkeitsgründen macht keinen Sinn.
insolaner hat geschrieben: 9. Dez 2019, 11:00
S.Nitschke hat geschrieben: 9. Dez 2019, 07:51 •Unwirtschaftliche Haushaltsführung
... Und wenn einem dann trotzdem noch der 190"-Superflach-habenmuss-TV zu 0% angedreht wird, liegt die Schuld natürlich ausschliesslich beim schwachen Käufer, der sich hat überreden lassen?
hmmm... es fällt mir schwer das so deutlich zu sagen, da dies offensichtlich als Suggestivfrage gedacht war aber: JA!

Der Käufer ist doch kein willenloses Konsumvieh!
insolaner hat geschrieben: 9. Dez 2019, 11:00 Wenn das System nicht so wäre, wie es ist, wären mit Sicherheit auch die Konsumschulden und dadurch entstehenden Schicksale geringer - und einige andere Punkte mehr...
Das wäre sehr wahrscheinlich tatsächlich so. Aber was heißt denn das unterm Strich für Dich? Das Du (bzw. die Konsumenten) keine Wahl haben? Natürlich haben sie die! Sie haben sie sogar mehr als jemals zuvor. Wenn man es positiv formulieren möchte, wurde der freie Wille des Konsumenten noch nie so ernst genommen wie heute. Aber damit muss man als Konsument auch umgehen lernen und nicht einfach sagen: "Ich kann nichts dafür, dass ich überhaupt vor die Wahl gestellt wurde!". Das kannst Du doch nciht ernst meinen?

Um es zur Weihnachtszeit mal etwas bildlich-biblisch zu formulieren: Früher war der giftige Apfel ganz oben am Baum, wurde von Eva und einer Armada Vasallen beschützt und war sehr schwer zu erreichen. Heute liegt der Apfel auf dem Präsentierteller vor jedem Baum und viele wissen nichtmal mehr, dass er giftig ist.