Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

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caffery
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Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von caffery »

BGH, Urteil vom 04.09.2019 - VII ZB 91/17

Der BGH hat sich frisch in o.g. Urteil zum Thema Vollstreckung aus dem sog. Tabellenauszug gegen einen ehemaligen Insolvenzschuldner geäußert.

Der betreffende Gläubiger hatte seine Forderung zum Verfahren mit dem Rechtsgrund "vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung" angemeldet. Der Schuldner hatte dem nicht widersprochen.

Der Gläubiger begehrte nun nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung mittels des Tabellenauszugs - und zwar in den Vorrechtsbereich - also ohne den Schutz der Pfändungstabelle. (§ 850f Abs. 2 ZPO)

Das Gericht beschäftigte sich mit der Frage, ob die Vollstreckung in den Vorrechtsbereich anhand des Tabellenauszuges zulässig sei. Schließlich sei die Anmeldung mit dem Rechtsgrund keiner rechtlichen Prüfung unterzogen worden. Sie wurde lediglich vom Gläubiger behauptet.

Das Gericht bejahte dies, urteilte also im Sinne des Gläubigers. Grund: Der Schuldner hätte der Anmeldung widersprechen können und wurde auch gerichtlich über diese Möglichkeit belehrt.

Was bedeutet das?

ACHTET AUF O.G. FORDERUNGSANMELDUNGEN! (§ 302 Abs.1 InsO)

Sollte in euren Verfahren ein Gläubiger eine Forderung auf diese Weise anmelden, dann legt unbedingt (!!!) Widerspruch gegen "den Rechtsgrund der Anmeldung" (nicht gegen die Anmeldung selbst) ein. (!!!) Es gibt zu solchen Anmeldungen grundsätzlich eine gesonderte Mitteilung vom Gericht. Achtet bitte darauf!

Es gibt nicht wenige Gläubiger, die ihre Forderung "ins Blaue" dergestalt anmelden in der Hoffnung, dass der Schuldner nicht widerspricht. Nach dem Urteil ist zu vermuten, dass es nicht weniger werden.

Wenn ihr dem nicht widersprecht, habt ihr nach dem Insolvenzverfahren einen sog. "deliktischen" Gläubiger, der unterhalb der Pfändungsgrenze pfänden kann! (=i.d.R. Katastrophe)
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Käsebrot
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von Käsebrot »

Super, das hätte die Schuldnerberatung vor zweieinhalb Jahren ja im Grunde genommen auch schon mal erwähnen können.

Stattdessen hab ich blauäugig alles, was kam, an sie geschickt und wurde bei der Eröffnung dann nett überrascht.

Ist zwar im Gesamtverhältnis nur sehr marginal, einen Monat länger vom Freibetrag leben, aber ärgerlich trotzdem.
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imker
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von imker »

dazu ein mhh von mir, denn selbst NICHTSTUN ist nur gut, wenn ein anderer was für einen TUT....

wer das schwierige Kapitel vertiefen mag, kann mE gut mit der Erläuterung unter https://www.zpoblog.de/bgh-zur-verjaehr ... -handlung/ einmal anfangen

Mein Ergebnis aus den Entscheidungen: drei Jahre WARTEN mit einem Insolvenzverfahren/-antrag, wenn dicke vbuH angemeldet werden können - nach Ablauf von drei Jahren weiß man, ob und ggf was tituliert wurde
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S.Nitschke
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von S.Nitschke »

imker hat geschrieben: 10. Okt 2019, 14:46 Mein Ergebnis aus den Entscheidungen: drei Jahre WARTEN mit einem Insolvenzverfahren/-antrag, wenn dicke vbuH angemeldet werden können - nach Ablauf von drei Jahren weiß man, ob und ggf was tituliert wurde
Sorry, drei Jahre "warten" wird Dich nicht retten. Die Anmeldung einer Forderung aus vbuH kann auch erfolgen wenn der Gläubiger dies im vorhergehenden Titulierungsverfahren nicht angegeben hat.
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S.Nitschke
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von S.Nitschke »

caffery hat geschrieben: 9. Okt 2019, 14:58
Sollte in euren Verfahren ein Gläubiger eine Forderung auf diese Weise anmelden, dann legt unbedingt (!!!) Widerspruch gegen "den Rechtsgrund der Anmeldung" (nicht gegen die Anmeldung selbst) ein. (!!!) Es gibt zu solchen Anmeldungen grundsätzlich eine gesonderte Mitteilung vom Gericht. Achtet bitte darauf!
Man sollte sich jedoch unbedingt den https://dejure.org/gesetze/InsO/184.html reinziehen ;)

Manchmal kann es taktisch klug sein nicht nur gegen den Anmeldungsgrund (vbuH) sondern auch gegen die Forderung an sich Widerspruch einzulegen. Denn wenn sich der Widerspruch nicht gegen die Forderung als solche, sondern nur gegen den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung richtet, ist dem Insolvenzverwalter und damit dem Gläubiger gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO dennoch eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Insolvenztabelle zu erteilen. Für den Schuldner bedeutet dies erheblichen Aufwand wenn der Gläubiger (nach Erteilung der RSB) mit dem vollstreckbaren Tabellenauszug vor der Tür steht und vollstrecken will .....

Zur Vertiefung der Sache kann ich nur den Artikel des RA Schlemmer empfehlen.

https://www.caemmerer-lenz.de/aktuelles ... pruch-des/
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caffery
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von caffery »

Danke für die weiteren Texte zu dem Thema.

Leider ist dieses Thema derart unerfreulich und auch komplex, dass es für Betroffene an dieser Stelle nicht wirklich schlüssig darstellbar ist. (Ich selbst finde den momentanen Stand der Rechtslage derart bescheiden - um nicht zu sagen "zum kotzen", dass ich es mir selbst kaum schlüssig darlegen kann)

Was ich sagen wollte: Ich wollte hier nur in aller gebotenen Kürze und Einfachheit die "Standard"-Situation darstellen, die in jedem Falle besser ist als aus Unwissenheit nichts zu tun.

Natürlich ist es immer besser sich kompetenten Beistand zu holen der auch ins Detail gehen, sowie abschätzen kann, ob auch eine komplexere Vorgehensweise Sinn ergibt. Der "Otto-Normal-Verbraucher-Insolaner" sollte damit auf sich allein gestellt i.d.R. leider überfordert sein. In dem meisten Fällen ist es aus meiner Sicht eher nicht ratsam derart angemeldeten Forderungen komplett zu widersprechen.
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S.Nitschke
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von S.Nitschke »

caffery hat geschrieben: 16. Okt 2019, 08:23
Was ich sagen wollte: Ich wollte hier nur in aller gebotenen Kürze und Einfachheit die "Standard"-Situation darstellen, die in jedem Falle besser ist als aus Unwissenheit nichts zu tun.
Sorry, sollte keine Verbesserritis sein :P
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caffery
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von caffery »

S.Nitschke hat geschrieben: 16. Okt 2019, 08:42 Sorry, sollte keine Verbesserritis sein :P
Neee, so habe ichs auch nicht aufgefasst.
... und selbst wenn, hätte ich da keinerlei Problem mit. Ganz im Gegenteil.
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Graf Wadula
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von Graf Wadula »

Das Thema ist ja bei allen Seiten unerfreulich und langsam nicht mehr witzig. Da steigt keiner mehr durch, wie soll es also noch ein Schuldner ohne insolvenzrechtliche Vorbildung verstehen??? Vor ein paar Jahren zum Thema VB und VU mit vbuH wurde geurteilt, dass als Voraussetzung eine "richterliche Schlüssigkeitsprüfung" erfolgen soll. Und jetzt bei so einer Forderungsanmeldung wird weder eine Schlüssigkeit noch durch Richter gefordert. Einige Gerichte und/oder Insolvenzverwalter lassen ja gar die vbuH durchlaufen, obwohl in der Anmeldung nur das Kreuz gesetzt ist und kein Tatsachenvortrag erfolgt. Letztlich war das bei diesem Urteil der VII. Senat, während die insolvenzrechtlichen Dinge normalerweise der IX. Senat entscheidet.
Genau so unverständlich ist hier, dass dadrüber keine Belehrung erfolgen muss (wo doch sonst über -sorry- jeden Mist eine ausführliche Belehrung zu erfolgen hat).
Wenn die Krankenkassen dieses Urteil mitbekommen, werden sie auch wieder bei Verfahren ohne beantragte RSB versuchen, die vbuH anzumelden und somit billig einen Titel für die verschärfte Pfändung zu bekommen...
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imker
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Re: Gläubiger meldet Forderung aus unerlaubter Handlung an - neues BGH Urteil bekräftigt dringenden Handlungsbedarf!

Beitrag von imker »

S.Nitschke hat geschrieben: 16. Okt 2019, 07:55
imker hat geschrieben: 10. Okt 2019, 14:46 Mein Ergebnis aus den Entscheidungen: drei Jahre WARTEN mit einem Insolvenzverfahren/-antrag, wenn dicke vbuH angemeldet werden können - nach Ablauf von drei Jahren weiß man, ob und ggf was tituliert wurde
Sorry, drei Jahre "warten" wird Dich nicht retten. Die Anmeldung einer Forderung aus vbuH kann auch erfolgen wenn der Gläubiger dies im vorhergehenden Titulierungsverfahren nicht angegeben hat.
@S.Nischke:
nach drei Jahren ist ein Anspruch aus vbuH verjährt

wenn nach drei Jahren kein Titel geschaffen wurde, ist das fein - aber selten

wenn ein Titel geschaffen wurde oder wenn ein Schuldanerkenntnis abgegeben wurde, muss man sich die Unterlagen genau ansehen, was da tituliert oder anerkannt wurde

wurde eine Kaufpreis- oder Darlehensforderung anerkannt, sind die Chancen eine vbuH in der Tabelle abzuwehren erheblich besser als bei einem Anspruch auf Erstattung der ärztlichen Behandlungskosten oder Schmerzensgeldanspruch

ich trau mir nicht zu, hier "abends" allgemeinverständlich zu schreiben, wie die Chancen dann bei einem Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung in der Feststellungsklage aussehen - es geht uns doch nicht um das ANMELDEN, sondern um das REAGIEREN auf eine Anmeldung - und mir bei der Beratung um den Hinweis, dass es ohne Titel easy und mit Titel überhaupt nicht hoffnungslos sein muss - so zB wenn ein abstraktes notarielles Schuldanerkenntnis als Titel geschaffen wurde

und zum Schluß: caffery und der Graf liegen richtig mit der Einschätzung
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