Man kann es ja mal versuchen...

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Andreas
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Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von Andreas »

Guten Abend,

nach sechs Jahren und 35 Tagen wurde mir endlich die lange ersehnte Restschuldbefreiung erteilt.
Bisher hatte ich zwei Male den Eindruck, daß Gläubiger versuchen, eventuelle Unerfahrenheit der Schuldner auszunutzen.

Zuerst kam nach Ablauf der Abtretungsfrist und noch vor der Restschuldbefreiung ein Brief einer Stadtverwaltung mit der Forderung nach Ausgleich der noch bestehenden Schulden und Ankündigung der Wiederaufnahme der Vollstreckung. Ergänzend ist vielleicht noch hinzuzufügen, daß diese Stadt damals eine Forderung aus unerlaubter Handlung angemeldet hat. Diesem Attribut habe ich damals wiedersprochen, der Widerspruch ist auch in der Insolvenztabelle eingetragen. Trotzdem kam nun dieser Brief und ich habe mit dem Sachbearbeiter telefoniert. Er gab nach einiger Zeit zu, daß er einfach mal versuchen wollte, ob nicht doch Geld aus der Forderung hereinkommt.

Da ich nun nach Erteilung der Restschuldbefreiung gerne sehen wollte, was so alles in der Schufa steht, habe ich "meineSCHUFA kompakt" für 3,95 € monatlich bestellt.
Sehr gespannt war ich dann auf die Auskunft. Fast alle Einträge hatten einen Erledigungsvermerk zum Datum der Restschuldbefreiung, lediglich beim Eintrag von COMMERZBANK AG GRM Intensive Care gab es diesen Vermerk nicht. Der erste sichtbare gemeldete Forderungsbetrag war ein Datum während der Insolvenz. Ich war mir aber sicher, daß ich während der Insolvenz und auch während der Wohlverhaltensphase keine Beziehung zur Commerzbank hatte. Es gibt in der Onlineauskunft die Möglichkeit, Einträge zur Überprüfung zu kennzeichnen. Das habe ich getan und am nächsten Tag die Antwort erhalten, daß ich mich an die Commerzbank wenden sollte. Dies erschien mir nicht logisch, daher habe ich bei der Schufa angerufen. Eine sehr nette Dame bezweifelte, daß es sich um eine Forderung aus der Zeit vor der Insolvenz handelte und schlug mir vor, mich direkt an die Commerzbank zu wenden. Sie gab mir noch eine Adresse, eine Telefonnummer hatte sie angeblich nicht. Während ich nun in den Folgenden zwei Tagen das Schreiben an die Commerzbank vorbereitete und verzweifelt alte Kartons nach früheren Briefen und Mahnbescheiden durchforstete, um den Zeitpunkt der Forderungsentstehung nachweisen zu können, kam ein Brief von COMMERZBANK AG GRM Intensive Care. In diesem Brief wurde mir angekündigt, in Kürze mit der Vollstreckung der Forderung zu beginnnen, gleichzeitig gab man mir die Möglichkeit, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Beigelegt war eine Forderungsaufstellung, aus der eindeutig der Ursprung der Forderung aus der Zeit vor der Insolvenz hervorging (immerhin 21 Jahre). Damit hatte ich nun die benötigten Informationen und habe der Commerzbank geantwortet, daß keine Zahlungspflicht besteht. Eine Kopie des Beschlusses zur Restschuldbefreiung habe ich beigelegt und mit Fristsetzung die Eintragung der Erledigung der Forderung in der Schufa verlangt. Eine Antwort habe ich nicht bekommen, die Erledigung ist nun aber korrekt eingetragen. Somit wird dann in drei Jahren alles gelöscht sein und ich kann mir bei Gelegenheit mal eine Wohnung bei einer Wohnungsgesellschaft suchen.
Auf dieser Erfahrung aufbauend habe ich in den letzten Tagen bei den einschlägigen Auskunfteien kostenlose Selbstauskünfte angefordert.

Es ist dringend anzuraten, spätestens nach Erteilung der Restschuldbefreiung Selbstauskünfte einzuholen und die Richtigkeit der Einträge zu prüfen. Auch sollte man sich nicht von ehemaligen Gläubigern veralbern lassen, ist erst Geld geflossen, ist es sicherlich weg.

Viele Grüße von Andreas
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

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Hi Andreas,

gute Frage, hast du schonmal bei dem Thema "Man kann es ja mal versuchen..." geschaut?
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tidus82
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von tidus82 »

Zuerst mal: herzlichen Glückwunsch - da gibt es was zu feiern!
Und als zweites: Danke für deine persönlichen Erfahrungen, die du hier teilst - ich denke man kann da echt nicht vorsichtig genug sein, wenn es um die RSB geht ;-) ich würde auch weiterhin die Schufa regelmäßig prüfen
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S.Nitschke
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von S.Nitschke »

Andreas hat geschrieben: 9. Jul 2019, 21:11
"Zuerst kam nach Ablauf der Abtretungsfrist und noch vor der Restschuldbefreiung ein Brief einer Stadtverwaltung mit der Forderung nach Ausgleich der noch bestehenden Schulden und Ankündigung der Wiederaufnahme der Vollstreckung. Ergänzend ist vielleicht noch hinzuzufügen, daß diese Stadt damals eine Forderung aus unerlaubter Handlung angemeldet hat. Diesem Attribut habe ich damals wiedersprochen, der Widerspruch ist auch in der Insolvenztabelle eingetragen."




"Widerspricht der Schuldner nur dem Rechtsgrund einer Forderung als Deliktshandlung, ist dem Gläubiger auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung aus der Eintragung der Forderung in der Tabelle eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen (BGH 3.4.14, IX ZB 93/13, Abruf-Nr. 141621)."

Zunehmend ist festzustellen, dass der Widerspruch gegen den Rechtsgrund der v.u.H. allein nicht ausreicht um vor Vollstreckungshandlungen eines pfiffigen Gläubigers nach Erteilung der RSB sicher zu sein. Also Augen auf....

https://www.iww.de/ve/vollstreckungspra ... ung-f77111
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caffery
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von caffery »

S.Nitschke hat geschrieben: 10. Jul 2019, 07:21 (BGH 3.4.14, IX ZB 93/13, Abruf-Nr. 141621)."

Zunehmend ist festzustellen
Echt jetz? Ich kenne nicht einen Fall bei dem es so gelaufen ist und der Gläubiger da noch irgendwas in Richtung Vollstreckung gemacht hat. Zumindest dann wenn die vbuh nicht unzweideutig zutreffend und nachweisbar war.

"Pfiffige" Gläubiger benutzen sowas eher mal als postnatales Druckmittel um nervöse (Ex-)Schuldner zur Zahlung zu bewegen. Aber ein Vollstreckungsversuch bei einer "Anmeldung ins Blaue" und widersprochenem vbuh Attribut wäre mir keines bekannt geworden.

Das war lange Thema auf Fortbildungen da viele Kollegen nach dem Urteil quasi befürchteten, dass die RSB ab absurdum geführt wird. Nichts dergleichen ist passiert.
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Graf Wadula
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von Graf Wadula »

caffery hat geschrieben: 10. Jul 2019, 08:03
S.Nitschke hat geschrieben: 10. Jul 2019, 07:21 (BGH 3.4.14, IX ZB 93/13, Abruf-Nr. 141621)."

Zunehmend ist festzustellen
Echt jetz? Ich kenne nicht einen Fall bei dem es so gelaufen ist und der Gläubiger da noch irgendwas in Richtung Vollstreckung gemacht hat. Zumindest dann wenn die vbuh nicht unzweideutig zutreffend und nachweisbar war.

...
Tatsächlich berufen sich immer mehr Krankenkassen auf diese Entscheidung und beantragen einen vollstreckbaren Tabellenauszug. Die Entscheidung des BGH ist wirklich ne Katastrophe und führtnden § 201 InsO ad absurdum. Denn nach dieser Entscheidung muss der Schuldner klagen. Das kann man faktisch den Betroffenen nicht mehr erklären. Ich weiß aber, dass ein Gericht nochmals die Erteilung eines vollstreckbaren Auszugs verweigert hat und versucht, eine neue Entscheidung des BGH hinzubekommen. Bis dahin wird aber dieser besch... Entscheidung widerwillig gefolgt.
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caffery
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von caffery »

Graf Wadula hat geschrieben: 10. Jul 2019, 19:41 Tatsächlich berufen sich immer mehr Krankenkassen auf diese Entscheidung und beantragen einen vollstreckbaren Tabellenauszug. Die Entscheidung des BGH ist wirklich ne Katastrophe und führtnden § 201 InsO ad absurdum. Denn nach dieser Entscheidung muss der Schuldner klagen. Das kann man faktisch den Betroffenen nicht mehr erklären. Ich weiß aber, dass ein Gericht nochmals die Erteilung eines vollstreckbaren Auszugs verweigert hat und versucht, eine neue Entscheidung des BGH hinzubekommen. Bis dahin wird aber dieser besch... Entscheidung widerwillig gefolgt.
Das die Entscheidung ne Katastrophe war ist klar. Aber ich habe da in der Praxis (zu meiner Überraschung) echt noch nie mit zu tun gehabt. Abgesehen von nervösen Schuldnern natürlich die (nachvollziehbarer Weise) Unsicherheit mit diesem Damokles-Schwert verbinden.

hmmm... manchmal glaube ich in einer Art Glücks-Blase zu leben wenn ich die ganzen Horrorgeschichten hier lese. Ich kann mich von meinen Fällen spontan noch nicht einmal an eine KK-Forderung erinnern die überhaupt als vbuh angemeldet wurde...
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Andreas
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von Andreas »

Es stellt sich die Frage, wann denn nun tatsächlich mit dem Insolvenzverfahren abgeschlossen werden kann, ich hatte fünf Gläubiger, bei denen ich dem Attribut der unerlaubten Handlung widersprochen habe... Wenn die nun alle vollstrecken wollen... Einerseits wäre es ganz gut, damit die Angelegenheit dann vor Gericht geklärt wird, andererseits sind es ja nicht unerhebliche Kosten bis zu einer Entscheidung (eventuelle Sicherheitsleistungen etc.). Wenn keiner der Gläubiger derartige Schritte unternimmt, muß ich dann scheinbar die nächsten Jahre (hoffentlich nicht 30) in Sorge leben, daß es doch mal ein Gläubiger versucht.
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caffery
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von caffery »

Andreas hat geschrieben: 10. Jul 2019, 21:12 ich hatte fünf Gläubiger, bei denen ich dem Attribut der unerlaubten Handlung widersprochen habe...
fünf? 5? FÜMPF!?!

Ich verlier den Glauben... Ich bringe jährlich 80-90 Leute ins Verfahren. Wenns hoch kommt habe ich bei denen allen 5 vbuh Anmeldungen im Schnitt zusammen!

Also entweder Du bist da in ein Hornissennest "komischer" Gläubiger getreten oder ich lebe wirklich in einer Blase der Glückseeligkeit oder Du hast Dich tatsächlich derart "ungelenk" überschuldet, dass die Anmeldungen (zumindest zum Teil) gerechtfertigt waren.

Auf jeden Fall kannst Du Dir meines Wissens nach aktueller Rechtslage nur ganz sicher sein, wenn Du jeden einzelnen dieser Gläubiger bzw. das Gericht zu allen diesen mit einer Feststellungsklage behelligst damit das Attribut abschließend geklärt wird. Zumindest habe ich das theoretisch so im Kopf - gemacht oder gebraucht habe ich selber das noch nie.
Oder es einfach aussitzen...
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Graf Wadula
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von Graf Wadula »

Ich vermute mal, Du hast ja als Schuldnerberater eher mit Verbraucherinsolvenzen zu tun. Die meisten vbuH sind ja Anmeldungen von Krankenkassen (Die Arbeitnehmeranteile). Und das betrifft ja eher Selbständige oder ehemals Selbständige, die ja nicht unter die Verbraucherinsolvenz fallen. Also die Krankenkassen melden regelmäßig diese Arbeitnehmeranteile als FavbuH an.
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caffery
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Re: Man kann es ja mal versuchen...

Beitrag von caffery »

Ahhh, stimmt. Ich habe zwar häufig Krankenkassen als Gläubiger. Allerdings sind es fast immer so Mondbeträge aus Zeiten wo sie "freiwillg" versichert waren - sich also niemand um die Beiträge gekümmert hat.

An einen ehemals Selbständigen der Arbeitnehmerbeiträge schuldete kann ich mich in der Tat spontan nicht erinnern.
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