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Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 10. Okt 2018, 14:58
von ObiWan
Hallo zusammen,

endlich ein Ersatzforum! Danke dafür!
Seit 2015 läuft ein Gerichtsverfahren, da ich mit einem frisierten Roller gefahren bin und mir ein viel zu schnelles Auto hinten drauf gefahren ist. Ich habe meine damalige Freundin dabei gehabt und es kam durch den Unfall zu massiven Verletzungen bei mir, aber auch bei meiner Freundin.
Es sind inzwischen einige Gutachten gemacht worden und leider sieht es laut meinem Anwalt so aus als würde ich den Prozess verlieren. Ich bin aufgrund des frisierten Rollers ohne Führerschein gefahren und bin vorsätzlich mit meiner Freundin als Sozius hinten drauf gefahren, obwohl der Roller dafür nicht zugelassen war.
Meine Versicherung ist in Vorleistung gegangen und inzwischen fast 70000 Euro an Anwalt, Schaden, Schmerzensgeldern etc. gezahlt worden.
Mein Anwalt rät mir inzwischen dazu, dass ich mich mit der Gegenseite einige und solange ich jung bin (ich bin 19) die Kosten anzunehmen und mit den Schulden bei meiner Versicherung, die mich in Regress nehmen wird dann in die Insolvenz zu gehen. Er meint dass die Versicherung manchmal auch auf den Regress verzichtet - aber ich muss vom Schlimmsten ausgehen.

Nun ist es so:
Ich studiere seit 2 Monaten und werde das wohl auch die nächsten 5 Jahre noch tun.
Wenn ich in die Insolvenz gehe, muss ich dann das Studium abbrechen?
Muss ich mich trotzdem um einen Job bemühen, obwohl ich studiere?
Ich habe aktuell einen Nebenjob, da bekomme ich 200 Euro im Monat - werden die mir dann auch weggenommen?
Ich wohne im Moment noch bei meiner Mutter.

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 10. Okt 2018, 15:09
von FinLaure
Meiner Meinung nach wird Dir die Insolvenz da nicht viel bringen, wenn Du den Prozess verloren hast. Wenn die Versicherung ihre Forderung als Vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung (VbuH) anmeldet und begründet, ist die Forderung von der RSB ausgenommen.

Hast Du vor dem Studium schon eine Ausbildung beendet? Wenn nicht, stellt das kein Problem dar. Deine 200 Euro Einkommen liegen weit unter der Pfändungsgrenze und können daher nicht gepfändet werden.

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 10. Okt 2018, 15:44
von ObiWan
Hallo Finlaure,

danke für deine Einschätzung. Das würde bedeuten, dass ich die Schulden gar nicht loswerden kann?

Nein, ich hab noch keine Ausbildung.

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 10. Okt 2018, 17:16
von Ruhrpottmensch
Wie FinLaure schon schrieb...

"Erststudium" sollte kein Problem geben, Du würdest dann ja -irgendwann- dem Arbeitsmarkt als gut ausgebildete Fachkraft zur Verfügung stehen...

Das Problem wird wirklich der Prozess sein. Ich erlebe gerade ein ähnlichen Fall.
(Straf)Prozess gegen mich, im ersten -noch nicht rechtskräftigen- Urteil "verloren". Die reinen "Gerichtskosten" können eventuell in die Insolvenz (RSB) mitgenommen werden, das "Strafgeld" auf keinen Fall. Das müsste ich bei Verurteilung quasi bei der Gerichtskasse abstottern...
Die restlichen Gläubiger sind allerdings drin, da diese nicht aus einer s.g. VbuH entstanden sind.

In meinem Fall geht es allerdings auch um weit weniger "Geldstrafe"...
Bei Dir würde ich eventuell mal mit einem Fachmensch drüber sprechen wie Du das im Falle einer Verurteilung gegen Dich hin bekommst...

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 10. Okt 2018, 20:25
von caffery
Ich versuche das mal für euch aufzudröseln da hier mittlerweile über drei verschiedene Dinge geredet wird:

Also erstens: Die Geldstrafe:

Ruhrpottmensch sprach offenbar von einer Geldstrafe - also von einer strafrechtlichen Verurteilung. Diese ist keine zivilrechtliche Forderung wie diese in der es in der Grundfrage des TE geht.
Geldstrafen sind grundsätzlich nicht Restschuldbefreiungsfähig und müssen natürlich gezahlt (abgearbeitet oder abgesessen) werden. (§ 302 Abs. 2 InsO)

Die Gerichtskosten:

Egal ob Zivilprozess (um den es im Falle des TE geht) oder Strafprozess (den Pottmensch beschrieb) Gerichtskosten sind grundsätzlich Restschuldbefreiungsfähig. Können also ganz normal als Insolvenzforderung beim Verfahren mitmachen und können keine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung im Sinne des § 302 Abs. 1 InsO sein - selbst dann nicht wenn sie eine Nebenfolge aus einer vorsätzlichen Straftat gewesen sind. (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2010 Az.: VI ZR 17/10)

Dann wäre da der Fall des TE:

Diese Frage ist nicht ganz so leicht zu beantworten da im Ernstfall wohl immer der Einzelvorfall genau geprüft werden müsste. Aber: Ich sehe das nicht so wie FinLaure.
Für den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung reicht es nicht, dass eine unerlaubte Handlung zu einem Schaden geführt hat. Die Schadenfolge muss direkt vom Vorsatz umfasst sein.
Der BGH hat z.b. einst entschieden, dass eine Autofahrt im Vollrausch zwar eine unerlaubte Handlung ist, der Unfallschaden der daraus resultierte aber keine vbuh im Sinne des § 302 Abs. 1 InsO ist da der Schaden nicht Teil des Vorsatzes war - sondern lediglich die Sauffahrt.
(vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2007, Az: IX ZR 29/06)
Um den Rechtsgrund der vbuh durchzusetzen müsste der Gläubiger also aus meiner Sicht nicht beweisen, dass Du bei Deiner frisierten Rollerfahrt mit der Lady aufm Gefährt Dir gewusst warst, dass vorgenanntes nicht erlaubt war (was natürlich einfach ist), sondern er müsste beweisen, dass Du zudem den entstandenen Schaden vorsätzlich herbeigeführt hast. Das erscheint mir weder möglich noch wahrscheinlich.

Wie gesagt: Ob dies auch auf Deinen Einzelfall im Detail anzuwenden ist muss man abwarten- Ich würde den InsO-Antrag an Deiner Stelle aber dennoch stellen und schauen wie der Gläubiger sich verhält. Sollte er es mit einer vbuh Anmeldung versuchen und es über die Frage zu einem Rechtsstreit kommen brauchst Du natürlich einen Anwalt. Ich persönlich würde Dir was das angeht aber Hoffnung machen wollen: So wie Du die Geschichte erzählt hast, sollte es in meinen Augen aus den dargelegten Gründen keine vbuh-Forderung sein.

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 10. Okt 2018, 22:37
von imker
Bloß nicht einigen - das gibt Ärger mit der Haftpflichtversicherung.

Und die Hinweise von caffery kann ich nur unterstreichen: wenn der Unfall nicht beabsichtigt war, keine vbuH.
Inso kann eine Lösung bringen, evt Insolvenzplan mit Drittzahlung, um die Dauer abzukürzen - erhöht aber die Kosten für Dich deutlich und wird nur funktionieren, wenn die Gläubigermehrheit dich stützt. Wer ist denn geschädigt worden?

Aber : so ganz kann ich nicht nachvolziehen, wie es zur Haftung gekommen ist, wenn Dir jemand auf das ohne FE gefahrene Fz aufgefahren ist und es Personenschaden zu verzeichnen gab. Worin besteht Dein Verursachungsbeitrag - keine Quotelung des Schadens??? In welcher Höhe droht der Regress? Auf 5.000 EUR begrenzter Regress??

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 11. Okt 2018, 06:28
von Ruhrpottmensch
Oh... Dann mal Danke an caffery für die detaillierte Erklärung der einzelnen Fachbegriffe... :geek:

(Stimmt ja... Ich habe auch völlig übersehen, dass Versicherungssachen ja Zivilrecht sind... :roll: )

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 11. Okt 2018, 07:39
von ObiWan
Guten Morgen,

danke für die vielen Antworten!
caffery und imker:
Das Problem ist, das ich selbst nicht so richtig durchsehe. Mein Anwalt meinte zu mir, dass aktuell leider alles gegen mich spricht und ich würde wahrscheinlich verurteilt werden, weil ich vorsätzlich ohne Führerschein mit einem frisierten Roller gefahren bin und einen Unfall verursacht habe. (Ich sehe das zwar anders, aber das wurde durch Gutachten widerlegt). Natürlich bin ich nicht losgefahren und wollte einen Unfall haben - im Gegenteil, ich bin heute noch in Behandlung deswegen.
Da sich das ganze aber noch ca. 1-2 Jahre hinziehen könnte, hatte er vorgeschlagen, dass ich mich mit der Gegenseite einige und das Verfahren dadurch schneller abgeschlossen wird.
Das Problem dabei ist einfach, dass meine Versicherung natürlich dann ihr Geld für die ganzen Sachen wieder haben möchte, da die ja in Vorleistung gegangen sind. Von 5000 Euro Grenze hat er mir nichts gesagt, er sprach von ca. 70000 Euro.
Wenn es nur 5000 Euro wären, dann würd ich das irgendwie anders regeln können, dann brauche ich nicht in die Insolvenz.

imker, was meinst du mit "Ärger mit der Haftpflichtversicherung2? Es ist ja eh meine Versicherung, die mich dann evtl. in Regress nehmen würde.

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 11. Okt 2018, 07:46
von imker
In den Versicherungsbedingungen steht üblichweise, dass es eine Verletzung von vertraglichen Obliegenheiten ist, wenn der Versicherungsnhmer sich mit dem Geschädigten ohne Zustimmung des Versicherers einigt.

Der Haftpflichtversicherer stellt üblicherweise einen Anwalt für den Prozess und der Geschädigte verklagt üblicherweise nicht nur den Fahrer, sondern mindestens auch die Haftpflichtversicherung des Fahrzeuges. Klär das mal mit einem Anruf beim Anwalt oder durch einen Blick auf die erste Seite der Klage - steht da nur Dein Name als Beklagter oder auch eine Versicherung und soll das Geld von "beiden als Gesamtschuldner" gezahlt werden??

Re: Schulden bei Versicherung - Insolvenz?

Verfasst: 11. Okt 2018, 07:52
von imker
Die Obliegenheiten und die Regressbeschränkung sind hier - für mich gut - verständlich aber kompliziert dargestellt. Auf dich treffen die Seiten 5 bis 8 zu

https://www.holzhauser.de/files/cto_lay ... Wagner.pdf