Pfändungsfreigrenze

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caffery
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Re: Pfändungsfreigrenze

Beitrag von caffery »

MrVon hat geschrieben: 11. Feb 2020, 14:22 Da der titulierte Anspruch soviele Jahre nicht vollstreckt wurde ist dieser verwikt. Zwar besteht die Forderung dann noch immer kann aber gerichtlich nicht durchgesetzt werden.
*öhm*

Ich bin etwas erschrocken. Mir ist zwar klar, worauf die Dame hier schielt - ich kann mir aber nicht wirklich vorstellen, dass sie ernsthaft glaubt mit dem schmalen Brett wirklich etwas ausrichten zu wollen.

Das Thema ist in Gänze ziemlich unmöglich zu vermitteln, da unfassbar viele formaljuristische "hätte, sollte, könnte, wäre etc." Formulierungen einmal durch den kompletten Paragraphenmenschenwortschatz und wieder zurückgedreht werden.

Aber ich versuchs mal ganz vereinfacht: Die Dame spielt vermutlich auf ein "antikes" BGH Urteil an:
BGH, Urteil vom 10.12.2003, Az.: XII ZR 155/01

Das Dingen wurde auch später noch häufiger aufgegriffen und besagte im Prinzip auf den ersten Blick das, was die Anwältin verkaufen wollte. Tenor ganz vereinfacht gesagt: Wer einen Unterhaltstitel hat und den dann nicht verfolgt, der hat es wohl doch nicht so unbedingt nötig. Der Schuldner kann sich in solchen Fällen unter gewissen Voraussetzungen schon nach einem Jahr Untätigkeit des Gläubiger auf Verwirkung von Rückständen berufen.

ABER: Erstens galt das Urteil aus meiner Sicht noch nie für Unterhaltsvorschussforderungen. Das geht allein schon aus dem Sinnzusammenhang des Richerspruchs hervor. Denn der bezog sich ja eindeutig auf die augenscheinlich fehlende Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und den daraus folgenden Schluss für den Schuldner.
Da aber ein öffentlicher Gläubiger natürlich keine existentielle Bedürftigkeit bzgl. einer solchen Forderung haben kann, entfällt aus meiner Sicht die Grundlage für eine Argumentation in diese Richtung.

Außerdem wurde das genannte BGH Urteil längst durch aktuellere Rechtsprechung stark relativiert. Die Voraussetzungen, die für eine Verwirkung deratiger Ansprüche gegeben sein müssen, lesen sich z.b. in BGH, 31.01.2018 - XII ZB 133/17 schon wieder deutlichst komplexer. Da ist keine Rede mehr von "Nach einem Jahr ist die Nummer u.U. verwirkt - auch mit Titel".

... aber wie gesagt: Für öffentliche Forderungen hat das m.E. ohnehin noch nie getaugt. Aber scheinbar taugt die alte BGH Entscheidung immernoch um Leuten damit eine Rechtsberatung zu verkaufen - mit ziemlich vorhersehbarem Ende wenn man mich fragt.
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imker
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Re: Pfändungsfreigrenze

Beitrag von imker »

und dazuu gibt es folgenden ESSIG in
https://www.iww.de/fk/fao-fortbildung/k ... ts-f116044
Zeit allein hilft überhaupt nicht - Abbrechen von Gesprächen schafft keinen Vertrauenstatbestand - und selbst wenn dem so wäre, wie soll das helfen, wieder an das voll Gehalt für Februar 2020 zu kommen??
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MrVon
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Re: Pfändungsfreigrenze

Beitrag von MrVon »

Ich habe heute auch mit der Rechtspflegerin Amtsgericht gesprochen. Die nette Dame teilte mir mit das ich Beschwerde einlegen soll. Die Pfändung ruht bis dahin bis alles weitere eingereicht wird. Allerdings darf mir der AG über die eingetragene Höhe hinaus dennoch nichts auszahlen. Er braucht auch nichts an den Gläubiger überweisen. Ich verstehe es so das keiner was zahlt und keiner was bekommt solange keine Entscheidung gefallen ist. Leider meinte die nette Dame das es Wochen dauern kann und ich möchte mich mit den Gläubiger in Verbindung setzen. Ich möchte auf dem ganzen Stress gerne verzichten. Am liebsten wäre mir ja wenn ein Vergleich möglich wäre, aber ob es ein Jugendamt macht.
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imker
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Re: Pfändungsfreigrenze

Beitrag von imker »

Du hast hier nach Hinweisen zu einer Pfändungsgrenze gefragt und Antworten erhalten.

Dann hast Du mit einer Rechtsanwältin telefoniert und eine Antwort auf die dort gestellte Frage erhalten.

Und nun erfahren wir auch von einem Gespräch mit dem Amtsgericht.

Fleißig ist das ja alles was Du da machst.

Aber das hilft doch nicht bei der Klärung des Problems: das Geld reicht nach Deinen Worten nicht. Und irgendwo wurde angedeutet, dass das Arbeitsverhältnis auch bald wieder beendet sein könnte.

Schreib doch später mal, wie das alles ausgegangen ist. Das würde ich aus Interesse gern mal lesen.
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imker
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Re: Pfändungsfreigrenze

Beitrag von imker »

in welchem PLZ-Gebiet spielt denn der Ärger??

Andere Personen schreiben dazu:

§ 850 d Abs. 1 ordnet an, dass dem Unterhaltsschuldner so viel zu belassen ist, wie er für seinen „notwendiger Unterhalt“ benötigt. Diesen „Sockelbetrag“ setzt das Vollstreckungsgericht fest. Der „Sockelbetrag“ orientiert sich am Sozialhilfesatz, also am Grundsicherungsbedarf eines Singles zuzüglich angemessener Wohnkosten. Grundlage für den Wohnbedarf sind dieselben Richtlinien wie beim Hartz-IV-Empfänger. Der „Sockelbetrag“ ist wegen der Höhe angemessener Wohnkosten deshalb regional unterschiedlich. Der „Sockelbetrag“ hat also nichts mit dem „notwendige Selbstbehalt“ zu tun, der bei der Berechnung des Kindesunterhalts die Grenze der Leistungsfähigkeit angibt. Der „Sockelbetrag“ ist niedriger als der „notwendige Selbstbehalt“ und die „Pfändungsgrenze“ nach Pfändungstabelle. Das Nettoeinkommen, das über den „Sokelbetrag“ geht, wird auf die unterhaltsberechtigten Personen der jeweiligen Rangstufe zu gleichen Teilen verteilt. Im „PfüB“ heißt es zum Beispiel, dass dem Schuldner vom Gehalt „950,- € zuzüglich ½ des übersteigenden Betrages“ verbleiben müssen. Verdient der Unterhaltsschuldner zum Beispiel 1.200,00 € netto würden ihm 1.075,– € (950 + 125) verbleiben und 125,- € gehen ans pfändende Kind, bzw. die UHV-Kasse.

Der Sockelbetrag kann vom Gericht bis zur Höhe der Pfändungsgrenzen angehoben werden. Um den Sockelbetrag anheben zu lassen, wird angeraten, direkt zum Sachbearbeiter vom Vollstreckungsgericht zu gehen und alle Belege mitzunehmen (Bescheinigung Arbeitgeber für Fahrkosten, Lohnzettel zum Beleg von Auslösen, Mietvertrag, Geburtsurkunden „vergessener“ Kindern, Kontoauszüge zum Beleg von weiteren Unterhaltszahlungen usw.).

Was Rückstände anbetrifft, so wird laut § 850 d ZPO die privilegierte Pfändung auf Unterhaltsansprüche begrenzt, die nicht älter als 1 Jahr sind. In der Regel werden aber alle Rückstände von der UHV-kasse gelistet und meist auch vorrangig gepfändet. Dies liegt an der Beweislast des Unterhaltsschuldners. Er muss schlüssig vortragen und beweisen, dass er sich seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen hat. Bei Normalverdienern, ist die Frage, ob die Rückstände auf 1 Jahr zu begrenzen wäre, auch nicht so entscheidend, so dass man die Pfändung zugunsten des Kindesunterhalts auch laufen lassen kann. Denn es reicht in der laufenden Pfändung meist noch nicht einmal für den monatlichen UHV-Betrag, sonst wäre UHV ja auch wohl kaum für das Kind notwendig gewesen. Wer sich aber hier wegen Pfändung übereinjähriger Unterhaltsschulden zur Wehr setzen möchte, muss „Erinnerung“ gegen den PfüB beim Vollstreckungsgericht einlegen.
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