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Leben mit Schulden?

Verfasst: 15. Feb 2024, 15:25
von saida
Hallo zusammen,

ich habe mal eine etwas grundsätzlichere Frage an Euch: Ich hatte einen ersten Schuldnerberatungstermin, der aber nur sehr sehr kurz war, weitere folgen mit Wartezeit.

Es deutet sich aber an, dass ich aus verschiedensten Gründen nicht oder erst einmal nicht in Privatinsolvenz gehen kann. Kann man so leben? Die Frage klingt vielleicht naiv, aber was ich meine ist: Würde das bedeuten, dass ich erst einmal mit Konsequenzen wie Lohn- und Kontopfändung, Gerichtsvollzieher-Besuch etc. leben müsste, aber eben auch leben dürfte? Oder ist dann irgendwann ein Punkt erreicht, an dem es noch schlimmer wird oder Gläubiger einen anzeigen, weil sich mehr nicht tut? Ich habe eh schon schlaflose Nächte und mir ist das alles auch einfach peinlich, aber das ist eigentlich meine Frage nach dem worst case ... :?
Gibt es einen Zeitraum, innerhalb dessen man eigentlich in Privatinsolvenz gehen muss, wenn man seine Schulden nicht mehr (alle) bezahlen kann?

Re: Leben mit Schulden?

Verfasst: 15. Feb 2024, 17:04
von Shadow
Sicherlich kannst du damit Leben, das die Gläubiger dich anzeigen kann auch so passieren. Vor allem, wenn es sehr junge Forderungen sind. Ansonsten lebt mein Nachbar auf die Art schon seit Jahrzehnten. Alle x Jahre kommt mal der Gerichtsvollzieher vorbei, er macht seine Angaben und das war es. Hin und wieder kommt es dann noch vor, das private Gläubiger vor seiner Tür stehen und Stress machen. Das kann dann auch mal so enden, dass die Polizei hier auftaucht, weil es seeeehr laut wird.

Aber so ganz generell, lebt der Nachbar damit wunderbar und ihn selbst stört das alles nicht :)

Re: Leben mit Schulden?

Verfasst: 15. Feb 2024, 17:18
von tidus82
Also ich möchte dich gern beruhigen - das was shadow schreibt ist sicherlich eine Ausnahme, da der Nachbar u.A. auch einen privaten Gläubiger hat.

Ich gehe davon aus, dass du „normale“ Gläubiger hast, was typischerweise irgendwelche Firmen, Banken oder Inkassobüros sind.
Die mögen per Post sehr gern ziemlich viel Stress machen und die Hölle auf Erden androhen - doch meist ist da nicht viel mehr als heiße Luft dahinter. Mehr als eine Pfändung bzw Vollstreckungsmassnahmen können die auch nicht machen. Und sobald du eine Vermögensauskunft abgegeben hast lässt sich der Gerichtsvollzieher auch nur noch alle 2 Jahre sehen.

Es gibt wohl ein paar Inkassobüros, die ein bisschen rabiatere Vorgehensweisen bevorzugen, wie zum Beispiel den „Hausbesuch“. Aber auch hier brauchst du keine Angst haben, selbst wenn das muskelbepackte Typen sein sollten - die haben das Aussehen nur um einzuschüchtern, würden aber niemals die Grenzen des Erlaubten überschreiten.
Sollte davon mal jemand vor der Tür stehen, dann entweder nicht öffnen, oder freundlich aber bestimmt weg schicken OHNE irgendwas zu unterschreiben.

Also, es wird auch auf Gläubiger Seite nur mit Wasser gekocht - da passiert typischerweise nichts.

Was aber nicht heißt, dass du das Ziel aus den Augen verlieren kannst, weil ja eh nix passiert - sei stolz auf dich, dass du den ersten Schritt getan hast und gehe jetzt langsam aber sicher einen Schritt nach dem anderen. Und vielleicht läuft es ja bald auch mit Hilfe der Schuldnerberatung :-)

Viel Erfolg!

Re: Leben mit Schulden?

Verfasst: 20. Feb 2024, 11:22
von mischa1981
saida hat geschrieben: 15. Feb 2024, 15:25 Gibt es einen Zeitraum, innerhalb dessen man eigentlich in Privatinsolvenz gehen muss, wenn man seine Schulden nicht mehr (alle) bezahlen kann?
Ich will es mal aus meiner Sicht schildern. Ich hab finanziell echt einen Bock geschossen, das hat sich aber über viele Jahre, viele bezahlte Kredite und viele neu aufgenommene Kredite immer hin und her gependelt.
Bei mir war dann das Maximum erreicht, als ich 2020 so in den Schulden war, dass es nicht mehr gereicht hat um meine Miete zu zahlen. Hatte Schulden bei mehreren Gläubigern ihv grob 35.000 Euro bei einem Einkommen von ~1.400 bis 1.500 Euro netto. Habe mich dann in meiner Not erstmal an die Caritas gewandt und die meinten, es ist ganz klar der Fall der Überschuldung eingetreten.
Ich hab mich daraufhin bei der Sozialberatung hier bei mir in der Nähe gemeldet und innerhalb weniger Tage einen Termin bekommen und wir haben dann erstmal alles soweit aufbereitet.
Das war im April 2020. Mit der Hilfe der Beraterin haben wir dann ein neues Konto aufgemacht und einen Pfändungsschutz beantragt. Sie wusste ja, dass ab Oktober 2020 die Privatinsolvenz auf 3 Jahre generell verkürzt wird statt wie bislang gehabt 5 bis 6 Jahre und im Januar 2021 wurde das Verfahren dann eröffnet.

Anfangs war ich da sehr zögerlich und hab mich brutal dafür geschämt, meinen Finanzen verbockt zu haben. Mit der Zeit, auch mit Hilfe meiner Kollegen, hab ich es dann aber geschafft, damit offen umzugehen. Und da hab ich dann erstmals bemerkt, wie viele andere in der gleichen Situation stecken. Wenn man es finanziell verbockt hat und da nicht mehr selbst rauskommt muss man sich schlicht Hilfe suchen, was du ja auch gemacht hast, wichtiger erster Schritt.

Aus meiner Sicht ist es wichtig, sich nicht zu verstecken, sich nicht zu Hause zu vergraben und Rechnungen und Mahnungen sich einfach anstapeln zu lassen, das bringt nichts. Inzwischen ist bei mir die Abtretungsphase vorbei, mein Treuhänder hat noch die letzten Belege angefordert damit er den Schlussbericht für das Gericht verfassen kann und dann muss das Gericht über die RSB entscheiden.

Ja ich habe von April 2020 bis Januar 2021 im Grunde so ähnlich gelebt, habe meine Raten bei den Gläubigern nicht mehr bezahlt und gewartet was kommt, war aber im permanenten Kontakt mit der Schuldnerberatung.

Grad für die Insolvenz ist es auch wichtig, nicht einzelne Gläubiger zu bezahlen. Damit läge eine unerlaubte "Gläubigerbevorzugung" vor, was auch die Restschuldbefreiung gefährden kann. Spätestens wenn das Verfahren eröffnet wurde wird dein Lohn direkt vom Arbeitgeber gepfändet, steht auch so auf dem Gehaltszettel drauf. Und da dann bitte keinen Gläubiger mehr direkt bezahlen, wenn jemand auf dich zukommt auf den Insolvenzverwalter verweisen.

Und für mich das Wichtigste: Verschaff dir einen Überblick über deine Einnahmen und Ausgaben, eine einfache Tabelle reicht da meist auch aus. Hauptsache du weißt, wie viel Geld du hast, welche Ausgaben auf dich zukommen und was du frei zur Verfügung hast. Ich wurde im Januar 2022 eiskalt vom Mieterbund erwischt und hatte dann gerade noch 150 Euro oder so zur Verfügung. Seitdem wird alles akkurat da eingetragen, dass das nicht nochmal passiert.