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Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 5. Jun 2019, 22:30
von tinamak
Hallo,
eine titulierte Forderung, aus dem Jahr 1997, wurde gegen mich geltend gemacht.
Aufschlag 400% (Zinsen, Bearbeitungskosten)
Ich habe bezüglich der Zinsen und Bearbeitungskosten die Einrede der Verjährung
geltend gemacht.
Antwort: Wir akzeptieren die Einrede der Verjährung nicht.
Habe dann vor zwei Wochen ein Schreiben vom Gerichtsvollzieher erhalten über den
vollen Betrag, also mit Zinsen und Bearbeitungskosten ohne Forderungsaufstellung oder Titel.
Ich habe dann die Hauptforderung aus dem Titel + nicht verjährte Zinsen auf das Konto vom
GV überwiesen mit dem Vermerk "Nur zur Verrechnung mit der Hauptforderung"
Auch hatte ich ihn auf die Einrede der Verjährung hingewiesen.
Nun erhalte ich ein Schreiben vom GV...
Zitat:
Ich kann die Zahlung nur als Teilzahlung werten, welche eine Verrechnung auf die Gesamtforderung
zur Folge hat. Wenn sie diese Verrechnung nicht zustimmen, werde ich das Geld an sie zurück erstatten
und die Zwangsvollstreckung gegen sie fortsetzen.
Wie erwähnt sind diese Mehrkosten nicht tituliert und es wurde die Einrede der Verjährung erhoben.
Was kann ich machen?
LG
Tina
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 6. Jun 2019, 15:37
von caffery
tinamak hat geschrieben: ↑5. Jun 2019, 22:30
Was kann ich machen?
Tjo, das ist ohne Rechtsbeistand - oder zumindest "Rechtsberatung" (die wir hier nicht machen können/dürfen/sollten) nicht so einfach.
Meine persönliche, spontane und unverbidliche Idee wäre:
Wenn die Maßnahme unbedingt verhindert werden soll, könnte man darüber nachdenken den unstrittigen Teil an den Gläubiger(vertreter) zu zahlen und dann eine Vollstreckungsabwehrklage wegen einerseits Erfüllung und andererseits Verjährung ins Feld zu führen.
Man kann soetwas auch nur bzgl. der verjährten Zinsen machen und damit auf eine Änderung der Maßnahme bzgl. der Höhe hinwirken. Beides sollte mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung bis zur Klärung verbunden sein.
Theoretisch besteht für soetwas kein Anwaltszwang (solange die Forderung unter 5000 Euro liegt) - es wäre aber sicher ratsam. Besonders um zu prüfen ob die von Dir beanstandeten Forderungsbestandteile in der Tat nicht geschuldet sind bzw. durch die zwischenzeitliche Einrede nicht mehr bestehen.
Sollte der Gläubiger nämlich bspw. nachtituliert oder regelmäßig vollstreckt haben bzw. dies versucht haben, kann es auch sein, dass nichts verjährt ist. Das sollte schon jemand mit Sachverstand prüfen bevor man da in Eigenregie Dinge tut, die für eine noch kostenintensivere Veranstaltung sorgen könnten.
Warum gehst Du nicht mal damit zu einer Beratungsstelle oder Verbraucherzentrale oder versuchst Dir einen Gutschein für eine kostenlose Rechtsberatung zu holen?
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 14. Jun 2019, 16:31
von Enumclaw
Hallo,
ich habe mich gerade im Forum angemeldet, weil einen sehr ähnlichen Fall habe und erst mal geschaut habe, ob es schon etwas dazu gibt im alten oder neuen Forum.
tinamak hat geschrieben: ↑5. Jun 2019, 22:30
Habe dann vor zwei Wochen ein Schreiben vom Gerichtsvollzieher erhalten über den
vollen Betrag, also mit Zinsen und Bearbeitungskosten ohne Forderungsaufstellung oder Titel.
Meiner Ansicht nach muss aber zumindest der GV eine solche Forderungsaufstellung haben, wenn er über den Titel hinaus vollstrecken will. Er kann über den Titel hinaus vollstrecken, z.B. notwendige Zwangsvollstreckungskosten und Zinsen. Diese müssen ihm jedoch überprüfbar dargelegt worden sein.
Hier hätte angesetzt werden müssen.
Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA), NRW, in der Fassung vom 19. August 2016 :
§ 136
Behandlung des Auftrags, Ladung zum Termin
Der Ladung an den Schuldner fügt der Gerichtsvollzieher den Text der nach § 802f Absatz 3 ZPO erforderlichen Belehrungen, je ein Überstück des Auftrags und der Forderungsaufstellung sowie einen Ausdruck der Vorlage für die abzugebende Vermögensauskunft oder ein entsprechendes Merkblatt bei. Soweit dafür amtliche Vordrucke eingeführt sind, verwendet der Gerichtsvollzieher diese.
Der GV hätte also zwingend eine Forderungsaufstellung mitsenden müssen, aus der sich eindeutig ergibt, was in welche Höhe gepfändet wird, also eine Aufschlüsselung in Hauptsache, Zinsen,Kosten.
Die nicht titulierten Kosten müssen ihm darüber hinaus nachgewiesen werden und er muss sie als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung bestätigen. Dies nicht zu tun und stattdessen den Auftrag so anzunehmen, ist zumindest Faulheit des GV, aber eher tatsächlich ein grober Verstoß gegen das Zwangsvollstreckungsrecht.
Deshalb lieben Inkassounternehmen Gerichtsvollzieher. Hier kommen sie noch besser zum Zug als bei manchem gleichgültigen Rechtspfleger. Allerdings wäre ein Antrag auf PfüB in dieser Form nicht mal bei dem gleichgültigsten Rechtspfleger durchgegangen.
tinamak hat geschrieben: ↑5. Jun 2019, 22:30
Zitat:
Ich kann die Zahlung nur als Teilzahlung werten, welche eine Verrechnung auf die Gesamtforderung
zur Folge hat. Wenn sie diese Verrechnung nicht zustimmen, werde ich das Geld an sie zurück erstatten
und die Zwangsvollstreckung gegen sie fortsetzen.
Leider ist ja nun schon eine Woche vergangen und die Sache bereits irgendwie erledigt.
Es hätte "Erinnerung" gem. 766 ZPO beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingelegt werden müssen.
Diese hätte auch mit Sicherheit auf jeden Fall zunächst zur vorläufigen Einstellung der ZV geführt - in diesem Fall vielleicht sogar direkt zur kompletten Einstellung, weil der GV entsprechend viele Böcke geschossen hat. Zumindest wäre der GV jedoch angewiesen worden, beim Gläubiger ein überprüfbares Forderungskonto anzufordern bzw. diesen aufzufordern das Antragsformular, hier Anlage 1, entsprechend auszufüllen.
Dass er entsprechend des Auftrags den Betrag nun nur als Teilzahlung werten kann, ist allerdings richtig. Er hat ja einen anderen, verbindlichen Auftrag erhalten, den er hätte ablehnen müssen.
Wenn noch nicht zu spät, Geld zurück, und sofort Erinnerung beim Vollstreckungsgericht einreichen. Das kann jeder ohne Anwalt. Dazu nur die Punkte anführen, die ich aufgezeigt habe. Diese reichen schon aus.
So, eigentlich wollte ich mich ja hier mit meiner Frage ranhängen, aber das wäre wohl nicht gut und zu unübersichtlich. Daher neuer Thread.
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 14. Jun 2019, 21:17
von caffery
hmmm... also erstmal Hut ab dafür, dass Du Dich so intensiv in das Thema eingelesen hast.
Also ich bin ja kein studierter Volljurist, weswegen ich mich vielleicht bei solchen Sachen etwas schwer tue. Aber soweit ich es gelernt (nicht studiert!;)) habe, müsste hier eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 BGB das richtige Mittel sein wenn man (teilweise) einen Vollstreckungsauftrag für unzulässig hält.
Die Erinnerung nach § 766 BGB ist der richtige Rechtsbehelf, wenn sich die Vollstreckung grundsätzlich gegen etwas richtet was dieser nicht unterliegen sollte - wie z.b. ein Auto was für die Arbeit benötigt wird, eine Sterbeversicherung die dem Pfändugsschutz unterliegt oder eine brilliantene Ehefessel;) Es geht hier also um die viel zitierte "Art und Weise"...
Ich bin hier aber - wie immer - gerne bereits eines Besseren belehrt zu werden:)
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 14. Jun 2019, 21:54
von Enumclaw
Huhu,
nein, es geht ja ganz konkret um den Vollstreckungsauftrag - wie Du schon sagst.
Der Auftrag ist ja fehlerhaft, da Forderung nicht aufgeschlüsselt. Da kommt die Vollstreckungsabwehrklage noch nicht ins Spiel. Sie wäre z.B. dann nötig, wenn der Schuldner Teilleistungen behauptet, die der Gläubiger verneint.
Dazu muss der GV ja auch nicht rechnen oder materiell-rechtliche Einwände des Schuldners berücksichtigen. Er hat einfach einen Auftrag, dem es an Bestimmheit und Nachweise der Schuld mangelt. Es sei denn natürlich, er hat tatsächlich ein Forderungskonto bzw. die richtig ausgefüllte Anlage 1 des Auftrags in seinem Besitz, die bisherigen ZV-Kosten auf Erstattungsfähigkeit kontrolliert, und "nur" den Schuldner darüber im Unklaren gelassen. Dann liegt das Versäumnis nicht beim Gläubiger, sondern beim Gerichtsvollzieher. Auch die Handlungsweise des Gerichtsvollziehers ist mit der Erinnerung zu beanstanden.
Es ist doch klar, dass sich nicht irgendjemand eine Summe ausdenken kann und dann den GV losschicken. Er muss die Schuld schon nachweisen. Und sobald diese über den Titel liegt, zzgl. ggf. titulierten Zinsen, muss auch nachgewiesen werden, dass diese Forderung tatsächlich besteht, denn der Titel reicht ja jetzt dafür nicht mehr aus. UND: Auch der Schuldner muss Kenntnis darüber erhalten, wie sich die geltend gemachte Forderung zusammensetzt. (siehe Geschäftanweisung für Gerichtsvollzieher)
Das ist ureigenste Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bzw des Gerichtsvollziehers solche Anträge abzulehnen bzw. eine Zwischenverfügung zu machen und den Gläubiger zum Einreichen eines Forderungskontos aufzufordern.
Verschlampen sie das, greift daher die Erinnerung § 766 ZPO.
Oder vielleicht einfacher ausgedrückt:
Die 3 großen Eckpfeiler für den GV und seine Zwangsvollstreckung sind: Titel, Klausel, Zustellung
Man braucht gar nicht weiter in die Materie einzutauchen, wenn eine dieser Voraussetzungen fehlt.
Hier fehlt es letztendlich am Titel. Es existiert zwar einer, aber keiner, der die geltend gemachten Ansprüche abdeckt. Einzige Ausnahme sind Kosten der ZV, welche mit dem Titel eingetrieben werden können. Diese sind aber natürlich aufzuführen und nachzuweisen.
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 14. Jun 2019, 22:06
von caffery
Ich bin bei allem ganz bei Dir - mir eben nur bei dem genannten Punkt nicht sicher. Kann aber gut sein, dass Du recht hast.
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 14. Jun 2019, 22:21
von Enumclaw
Ich bin mir jetzt nicht sicher, was du mit "dem genannten Punkt" meinst.
"Art und Weise der ZV"?
Die Art und Weise ist ja sogar im ganz besonderen Maß berührt, wenn die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht mal vorliegen. Und zu denen gehört der Titel. Das heißt natürlich nicht nur, das irgendein Titel vorliegen muss, sondern dieser auch die geltend gemachte Forderung legitimiert. Liegt diese über dem Titel zzg. Zinsen muss sie nachgewiesen werden und darf nur erstattungfähige ZV-Kosten enthalten. Dies umfasst auch ZV-Kosten der Vergangenheit, die z.B. noch nie geltend gemacht wurden, weil es nie zu einer erfolgreichen Pfändung kam. Auch diese dürfen mit dem Titel eingetrieben werden. Aber wirklich nichts darüber hinaus.
Ich suche jetzt mal nach einem der Urteile, aus dem das auch nochmal klar hervorgeht.
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 14. Jun 2019, 22:37
von Enumclaw
So, das ist jetzt das neueste BGH-Urteil, welches eigentlich um den Formularzwang geht, aber zum Schluss nochmal etwas Wichtiges klarstellt:
BGH v. 26.09.2018 - VII ZB 56/16
Die Rechtsbeschwerde kann mit ihrem Einwand aber auch in der Sache nicht durchdringen. Für (sonstige) Hinweise, die die beabsichtigte Zwangsvollstreckung betreffen, ist das Modul P 8 des Formulars vorgesehen. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass nicht titulierte Forderungen und Hinweise auf nicht titulierte Forderungen die Zwangsvollstreckung nicht betreffen und deshalb nicht in das Formular aufgenommen werden dürfen.
https://openjur.de/u/2115294.html
Hier ging also eine "Erinnerung" der Gläubigerin durch alle Instanzen, weil sie das Formular nicht richtig nutzte und daher ihr Vollstreckungsauftrag abgelehnt wurde. Angefangen hat es jedoch mit der "Erinnerung". Solche Sachen sind ureigenste Zuständigkeiten der Vollstreckungsgerichte.
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 14. Jun 2019, 23:21
von caffery
Ich habe mich anstecken lassen und auch nochmal rumgelesen und bin zu dem Schluss gekommen, dass Du recht hast:)
Hier wäre tatsächlich die Erinnerung der richtige Rechtsbehelf. Ich nehme also alles zurück und behaupte das Gegenteil.
Zu meiner Entschuldigung bringe ich vor, dass alle drei Gerichtsvollzieher im meinem Bezirk ihr Handwerk anständig verrichten - solche Dinge also glücklicherweise absolut nicht zu meinen Tagesgeschäft gehören.
Danke für Deine Ausführungen und die Verlinkung des interessanten Urteils dazu.
Re: Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher bei nicht titulierten Betrag?
Verfasst: 14. Jun 2019, 23:31
von Enumclaw
Na, du Glücklicher.
Hier scheinen nur Gerichtsvollzieher unterwegs zu sein, die sich für möglichst wenig Arbeit die Gebühren einstreichen wollen.
klingt böse, aber das ist bei mir jetzt bereits der Zweite.
Und die TE hat ja auch nicht mehr Glück.
Meiner Meinung nach dürften Gerichtsvollzieher überhaupt nicht direkt vom Gläubiger, oder dann zu guter Letzt vom Schuldner, bezahlt werden. Die Gebühren sollten Ihnen über Gerichtskosten zukommen. So ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
PS:
Das ist schon in Ordnung, mal was nicht zu wissen.
Ich bin einfach nur von jeher talentiert darin, mir in kürzester Zeit Spezialwissen anzueignen.
Wenn ich das nicht mehr brauche, vergesse ich es dann auch genauso schnell wieder.