Insolvenz durch Spielsucht

Hier geht es in erster Linie um eine sachbezogene Diskussion rund um das Thema Ver- und Überschuldung (z.B. zur Existenzsicherung, Zwangsvollstreckung, Verbraucherinsolvenzverfahren). Für aktive und ehemals Selbstständige haben wir ein eigenes Forum 'Selbstständige' eingerichtet. Wie man mit Schulden und den damit resultierenden persönlichen Belastungen und Problemen umgeht und lebt, geht es im Schwesterforum 'life!'.
Forumsregeln
Wichtiger Hinweis: Dieses Forum ersetzt keine Rechtsberatung! KEIN Benutzer darf und will auf dieser Plattform eine Rechtsberatung anbieten, so dass sämtliche Antworten nur als Austausch von Meinungen zu verstehen sind!
Bitte sucht einen Rechtsanwalt auf, wenn ihr rechtssichere Antworten erhalten möchtet!
caffery
praktischer Schuldnerberater
Reaktionen: 397
Beiträge: 2474
Registriert: 13. Aug 2018, 20:45

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von caffery »

imker hat geschrieben: 4. Apr 2019, 16:35 Die Vermögensverschwendung durch Spielsucht halte ich für gedanklich einen groben Unfug.
Das LG Hagen, das AG Göttigen und das AG Duisburg sahen das aber anders.

AG Duisburg, Beschluss vom 10.01.2007, 62 IK 363/06
LG Hagen, 07.12.2006 - 10 a T 75/06
AG Göttingen, Beschluss vom 06.05.2010 – 71 IN 14/04
0
Conrad
Mitglied
Reaktionen: 0
Beiträge: 10
Registriert: 6. Okt 2018, 13:55

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von Conrad »

Ein Urteil war mir neu, die anderen beiden kannte ich schon. Was in der Hinsicht vielleicht anders ist, ist eben der zeitliche Zusammenhang. Ich habe nochmal nachgeschaut. Zwischen dem letzten Spielen und dem Einreichen des Antrags ist bei mir fast exakt 1 Jahr vergangen.

In den Urteilen ist irgendwie nie ersichtlich, dass sich jemand auf länger andauernde Spielsucht beruft. Aber im Endeffekt bleibt natürlich alles dasselbe.
0
caffery
praktischer Schuldnerberater
Reaktionen: 397
Beiträge: 2474
Registriert: 13. Aug 2018, 20:45

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von caffery »

Jeder individuelle Zusammenhang ist immer ein bisschen anders.

Ich persönlich würde es ja für arg abwegig halten, derartigen Anträgen in solchen Fällen einfach mit dem "Suchtjoker" entgegentreten zu können indem man einfach sagt, dass das Handeln wegen Krankheit nicht rational steuerbar war und daher nicht grob fahrlässig gewesen sein kann.

Das ist aber nur meine persönliche Meinung. Ich bin mir aber sicher, dass es jede Menge Anwälte gibt die Dir versprechen, dies im Ernstfall einem Richter erfolgreich verkaufen zu können.

Aus meiner Sicht gibt es dafür die Fristen die Betroffene verstreichen lassen können um entsprechendem Ungemach aus dem Weg zu gehen. Besonders für Menschen mit (Spiel-)suchthintergrund halte ich diese Jahre auch persönlich für einen Segen, da ich ein großer Verfechter von Nachhaltikgkeit bei Insolvenzanträgen bin. Diese - in Deinem Fall drei - Jahre sind aus meiner Sicht dafür da, sich vollständig zu stabilisieren. Meine Erfahrungen mit Betroffenen haben zudem gezeigt, dass drei Jahre dafür keinesfalls ein zu langer Zeitraum ist.
Ich rate Betroffenen in ähnlichen Konstellationen immer dringend dazu, diese Jahre "auszusitzen" und sie zur Stabilisierung zu nutzen.

Aber mach Dir doch erstmal nicht son Kopp! Der Verwalter will doch erstmal nur die Auszüge sehen. Vielleicht gehts ihm wirklich nur darum Anfechtungen zu prüfen (was auch alles andere als unwahrscheinlich ist) und alles wird nicht ansatzweise so wild wie es sich grade in Deinem Kopf abspielt.
0
imker
praktischer Schuldnerberater
Reaktionen: 78
Beiträge: 1093
Registriert: 4. Okt 2018, 10:48

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von imker »

in der LG Entscheidung heißt es ua ab Rdz 8 oder 9

Die Sparkasse der Stadt I hat als Insolvenzgläubigerin im Schlusstermin in zulässiger Weise die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. So hat sie unter Bezugnahme auf die eigenen Erklärungen des Schuldners vom 21. Februar 2005 und vom 11. März 2005 glaubhaft gemacht, dass der Schuldner nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, dass er Vermögen verschwendet hat, indem er einen Betrag von mehr als 25.000,00 € bei Glücksspielen verspielt hat, vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO.

Damit wird dochhier ein Fall entschieden, bei dem der Schuldner nach Insolvenzeröffnung die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat und dabei das Konto seiner Ehefrau für Zahlungen an ihn missbrauchte und die Beteiligten in die Irre führen wollte.

In diesem Conrad Fall soll es doch so gewesen sein, dass vor Verfahrenseröffnung Geld verspielt wurde.

Ich denke auch, Ruhe bewahren und abwarten - und jetzt eine Insolvenz abbrechen - das schafft kein mir bekannter Anwalt oder Prof. von der Uni oder Praktiker.
0
Conrad
Mitglied
Reaktionen: 0
Beiträge: 10
Registriert: 6. Okt 2018, 13:55

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von Conrad »

Ja, leider sind die Urteile sehr alt. Damals galt auch noch eine Frist von einem Jahr vor Eröffnung des Insolvenzantrags.
Ich versuche irgendwie ruhig zu bleiben, vielleicht klappt das in ein paar Tagen. Bis dahin google ich mich wohl halb tot, aber entweder geht niemand gegen Versagungsanträge vor oder aber ich bin zu blöd zum suchen.
0
caffery
praktischer Schuldnerberater
Reaktionen: 397
Beiträge: 2474
Registriert: 13. Aug 2018, 20:45

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von caffery »

imker hat geschrieben: 4. Apr 2019, 22:21 In diesem Conrad Fall soll es doch so gewesen sein, dass vor Verfahrenseröffnung Geld verspielt wurde.
Ja nun. Der 290er spricht ja auch von "... 3 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag...". Von daher sehe ich an diesem Punkt keinen wirklich relevanten Unterschied.

Ich sehe es so - und habe es auch auf einschlägigen Fortbildungen mit durchweg schuldnerfreundlichen Dozenten so gelernt, dass die Rechtsprechung in solchen Fällen von verspieltem wesentlichen Vermögen erstmal grundsätzlich in Richtung Vermögensverschwendung entscheidet.
Wenn... ja wenn denn die obligatorische Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger von diesen glaubhaft gemacht werden kann. Betroffene sollten also aus meiner Sicht an diesem Punkt ansetzen um sich entsprechend zu wehren.
Conrad hat geschrieben: 4. Apr 2019, 22:31 Ja, leider sind die Urteile sehr alt. Damals galt auch noch eine Frist von einem Jahr vor Eröffnung des Insolvenzantrags.
Das stimmt. Es wurden 2014 drei Jahre daraus.
Conrad hat geschrieben: 4. Apr 2019, 22:31 Ich versuche irgendwie ruhig zu bleiben, vielleicht klappt das in ein paar Tagen. Bis dahin google ich mich wohl halb tot, aber entweder geht niemand gegen Versagungsanträge vor oder aber ich bin zu blöd zum suchen.
Es kommt einfach nicht so wirklich häufig zu Urteilen. Die Gründe dafür sind Vielschichtig.

Die eigentliche Frage ist aber doch: Warum zum Geier machst Du Dir so derart intensiv nen Kopp?
Der Mensch will Kontoauszüge sehen - sonst nichts.
... und glaub mir: Die Verwalter haben allesamt schon (wie auch ich) sehr sehr viele sehr sehr komische Dinge gesehen. So leicht haut die nichts aus den Latschen und lässt sie in Richtung Vermögensverschwendung zucken. Nebenbei verdienen die da ja auch nichts dran. An erfolgreichen Anfechtungen würden sie verdienen - von daher wird hier auch mit hoher Wahrscheinlichkeit sein einziges Augenmerk drauf liegen.

So und nun ist Wochenende und das Wetter wird gut. Beschäftige Dich mit irgendwas nettem. Fußball, grillen, Deiner Frau, irgendwas. Hör auf Horrorgeschichten zu googeln. Das braucht die Welt grad nicht und wird sie auch nicht ändern.
0
Conrad
Mitglied
Reaktionen: 0
Beiträge: 10
Registriert: 6. Okt 2018, 13:55

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von Conrad »

Hallo nochmal,

vielen Dank für das Kopf waschen, caffery. Mit einer Woche Ruhe geht es mir langsam besser. Ich habe vorgestern schon die Kontoauszüge meiner Bank erhalten. Ich habe mir direkt die Auszüge ab Anfang 2016 zukommen lassen. Gestern bin ich mit meiner Frau alle Auszüge durchgegangen. Ich habe in den letzten 3 Jahren vor der Insolvenz auf dem normalen Girokonto KEIN Geld verspielt, sondern ein Plus von knapp 2.000€ gemacht. Damit hätte ich nicht unbedingt gerechnet. Zumindest in der Hinsicht bin ich was die Verschwendung angeht, ein bisschen ruhiger. Bei Rückfragen des IV werde ich wahrheitsgemäß antworten, dass ich versucht habe, die Haushaltskasse aufzubessern.
Ich hoffe jetzt nur, dass daraus nicht ein strafrechtliches Problem mit illegalem Glücksspiel wird, sehe das aber gelassen und mache mich nicht verrückt.
0
caffery
praktischer Schuldnerberater
Reaktionen: 397
Beiträge: 2474
Registriert: 13. Aug 2018, 20:45

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von caffery »

Conrad hat geschrieben: 11. Apr 2019, 12:03 vielen Dank für das Kopf waschen, caffery.
Nicht dafür. Besonders was Shampoo betrifft bin ich nicht zuletzt aus reinem Eigennutz stets auf dem neusten Stand;)
Conrad hat geschrieben: 11. Apr 2019, 12:03 Bei Rückfragen des IV werde ich wahrheitsgemäß antworten, dass ich versucht habe, die Haushaltskasse aufzubessern.
Vielleicht wäre ein rhetorischer Einschub ala "Ich habe aber die Dämlichkeit dieser damaligen Idee mittlerweile vollumfänglich und nachhatig eingesehen" an dieser Stelle vertrauensstiftend.
Conrad hat geschrieben: 11. Apr 2019, 12:03 sehe das aber gelassen und mache mich nicht verrückt.
Genau so:)
0
EmiliaHadson
Neuankömmling
Reaktionen: 0
Beiträge: 1
Registriert: 25. Nov 2020, 14:28

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von EmiliaHadson »

Ich denke, dass die Anerkennung der Spielsucht ein belastender Faktor sein wird , aber wenn Sie sich selbst rehabilitiert haben, freiwillig.Höchstwahrscheinlich wird die Anerkennung eine positive Wirkung haben.
0
Witwe Bolte
Guru
Reaktionen: 173
Beiträge: 1600
Registriert: 23. Feb 2019, 07:29

Re: Insolvenz durch Spielsucht

Beitrag von Witwe Bolte »

Das ist wirklich eine gute Antwort von Neuankömmling EmiliaHadson heute am 25.11.2020 auf die Frage von Conrad vom 6.10.2018.
Hast Du Dich extra deswegen heute hier angemeldet ?
*staun*
1
1 Bild
Antworten