Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

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RubyGloom
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von RubyGloom »

Käsebrot hat geschrieben: 1. Jul 2020, 20:50 Mir leuchtet gerade nicht ein, warum das befristet werden soll 🤔
Damit der Deutsche Bundestag rechtzeitig vor dem 30.
Juni 2025 über eine mögliche Entfristung entscheiden kann, soll die Bundesregierung dem Bundestag
bis zum 30. Juni 2024 über die Auswirkungen der Verfahrensverkürzung auf das Antrags-, Zahlungsund Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern berichten.
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Der_H
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von Der_H »

Das mit der Befristung leuchtet mir auch noch nicht ein.
Aber genaugenommen gilt die EU Verordnung doch nicht für Verbraucherinsolvenzen?

Aber man hat ja auch quasi ein Lotterieverbot eingeführt.
Einerseits müssen alle Gewinne abgeführt werden. Andererseits kann man Lottospielen als Vermögensverschwendung ansehen, und die Restschuldbefreiung wird versagt... (Ich hoffe, dass es nicht so schlimm wird!)
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caffery
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von caffery »

Tjo, seit gestern Nachmittag wird unsere Beratungsstelle mit dem Thema zugeknallt. Es gibt bereits eine Empfehlung von erlauchter Stelle den Leuten zu raten derzeit keine Anträge zu stellen und bis zum 01.10.20 damit zu warten.

... und sogar schon eine, den Leuten die kürzlich Anträge gestellt haben und noch nicht eröffnet wurde, schnellstmöglich die Rücknahme des Antrags nahezulegen.

Die Pressemitteilung

https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemi ... chuld.html

Ein FAQ

https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzge ... onFile&v=1

Das ganze Salat im Fließtext

https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzge ... onFile&v=2

Eine Zusammenfassung der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg:

https://www.soziale-schuldnerberatung-h ... itte-2025/
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Käsebrot
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von Käsebrot »

Hab ich das so richtig verstanden, dass ich als Schuldner dann letztlich vollkommen in meinen Grundrechten beschnitten werde?

Sprich, ich darf noch nicht mal mit meinem Freibetrag machen, was ich will? Wie soll ich denn einen Gläubiger benachteiligen, wenn dieser aus dem Pfändungsbetrag ohnehin bedient wird? Welches Vermögen soll ich verschwenden, wenn ich gar keines haben darf? So lange ich meine neuen Rechnungen bezahlen kann, ist es doch vollkommen egal, wie hoch diese in Summe sind?!?

Geht‘s nur mir so, dass hier blinder Aktionismus betrieben wird? Oder ist das eine EU-Vorgabe?
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caffery
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von caffery »

hmmm... worauf genau spielst Du denn an? Ich habe grade Schweirigkeiten Deiner Empörung zu folgen.
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Der_H
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von Der_H »

Ich habe das auch erst nicht verstanden...

Unter Unangemessene Verbindlichkeiten versteht man Ausgaben die nicht zu deinen Einnahmen/Lebenssituation passen.

Du darfst natürlich dein Geld ansparen und ausgeben wie du möchtest. Bloß beim ausgeben muss es zu einer Insolventen Person passen...

Also wir sollen nur das unterlassen, was viele von uns in diese Situation gebracht hat😉

Ich glaube caffery kann zum Thema unangemessene Verbindlichkeiten ein ganzes Buch füllen.

Ich denke vom Gericht braucht man nicht viel befürchten... Es sind eher die Gläubiger die vieles unangemessen für den Schuldner finden.
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Käsebrot
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von Käsebrot »

caffery hat geschrieben: 5. Jul 2020, 11:59 hmmm... worauf genau spielst Du denn an? Ich habe grade Schweirigkeiten Deiner Empörung zu folgen.
Für mich liest sich das so, als dürfte ich mir gar nix mehr leisten, sofern es nicht zwingend zu einer bescheidenen Lebensführung nötig wäre.

Ab wann ist eine Verbindlichkeit denn unangemessen? Und warum soll ich einen Insolenz-Gläubiger oder den IV/TH darüber informieren, sobald ich sie eingehe?

Mir leuchtet das irgendwie nicht so ganz ein, wie das in der Praxis dann umgesetzt werden soll 🤔
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caffery
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von caffery »

Also meiner bescheidenen Meinung nach, sollte man diese Punkte möglichst locker sehen.
Wir haben es hier mit einem klassischen "sozial versus konservativ" Politikum zu tun. Letztere wollen naturgemäß ihrer Lobby, als dessen Vertreter sie sich sehen, irgendwie darlegen, dass sie alles versucht haben um der ganzen Suppe möglichst viel von ihrem Geschmäckle beizumischen.

... und so kommt es eben aus meiner Sicht zu solchen Zusätzen bei diesen Gesetzesentwürfen.

Auf der anderen Seite ist die von mir fachlich wie menschlich sehr geschätzte Ines Moers, die sich hier

https://www.bag-sb.de/fileadmin/user_up ... erkRSB.pdf

für meinen Dachverband zu den "verschärfenden" Punkten sehr kritisch äußert natürlich auch in erster Linie in dem was sie da schreibt Lobbyistin der Schuldner. Da liegt es in der Natur der Sache, dass sie solche Punkte maximal kritisiert.

Ich würde mich - so ich denn öffentlich in meiner Arbeitsfunktion gefragt würde - sehr wahrscheinlich ähnlich äußern. Da wir aber hier unter uns Pastorentöchtern sind sage ich mal:

Ich finde die Erhöhung der Sperrfrist logisch und auch richtig. Genauso wie ich grundsätzlich die Idee einer Verlängerung von Zweitverfahren nachvollziehen kann. Allerdings bezweifle ich tatsächlich stark, dass dies im Sinne der EU-Vorgabe sein würde.

Die Erweiterung des 295 auf Schenkungen und Spielgewinne finde ich völlig vertretbar.

Die Nummer mit den "unangemessenen Verbindlichkeiten" halte ich eher für eine Luftnummer.
Warum ich das denke? Den § 290 Absatz 1 Nr. 4 InsO gibt es schon längst. Er wurde 2014 zur letzten Novelle sogar noch von 1 auf 3 Jahre verschärft. Interessiert hat sich dafür in der Praxis aber niemand - zu keiner Zeit - obschon auch 2014 der Teufel von manchem an die Wand gemalt wurde.
Mir persönlich wäre nicht ein einziges Verfahren bekannt geworden, bei dem die Restschuldbefreiung aufgrund des § 290 Absatz 1 Nr. 4 InsO versagt worden wäre - nicht ein einziges.
Jetzt soll diese Vorschrift, die noch nie irgendeine praktische Relevanz hatte, einfach nur auf die WVP ausgeweitet werden.
Für mich wirkt es erstmal eher wie eine Art konservatives Feigenblatt. Drum ist meine Spontanreaktion: Sollen sie doch. Dass sich Gerichte reihenweise mit sowas beschäftigen um jede Menge Restschuldbefreiungen am Fließband zu versagen wäre aus meiner Sicht beim besten Willen nicht zu erwarten.
Sollte es in Extremfällen mal zu so etwas kommen, wäre es wahrscheinlich nicht ganz unbegründet und um die betreffenden Verfahren vermutlich nicht schade.

Nochmal: Wenn man versucht sich in die Gegenseite zu versetzen, haben wir es hier mit einem erheblichen Einschnitt zu tun. Restschuldbefreiungen von nicht masselosen Verfahren werden quasi vereinfacht gesagt im Schnitt um 2/5 "billiger".
Mit allen Folgen - wie z.b. der Art und Weise in denen man die Leistungsfähigkeit von Kreditnehmern bewerten sollte.
Die EU-Vorgabe lautet im Prinzip haptsächlich auf "3 Jahre für alle!" Wenn man bedenkt, dass viele EU-Länder ihre Restschuldbefreiungen an teilweise sehr hohe Bedingungen knüpfen (Verfahrenskosten tilgen, Mindestquoten etc.), dann ist dieser Entwurf in meinen Augen ziemlich "human" - oder anders gesagt: Es hätte aus meiner Sicht deutlich schlimmer kommen können.
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Der_H
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von Der_H »

Grade da man ja schon im eröffneten Verfahren keine „unangemessene Verbindlichkeiten“ eingehen darf, ändert sich ja eigentlich nichts.

Und zur Schenkung.
Wenn einem echt jemand was nennenswertes Schenken will, dann wartet er bestimmt auch gerne noch 1-2 Jahre... Ich würde es zumindest tun.

caffery hat geschrieben: 5. Jul 2020, 14:04 Restschuldbefreiungen von nicht masselosen Verfahren werden quasi vereinfacht gesagt im Schnitt um 2/5 "billiger".
Wie sich die Verkürzung wohl auf die Vergleichsbereitschaft auswirkt?
Grade wenn man beim Ratenvergleich eine höhere Summe über 4-5 Jahre anbieten kann.
Ich weiß... Konnte man schon immer, aber vielleicht greifen die Gläubiger jetzt eher zu.
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caffery
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Re: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren wohl in absehbarer Zeit standard...

Beitrag von caffery »

Der_H hat geschrieben: 5. Jul 2020, 14:40 Wie sich die Verkürzung wohl auf die Vergleichsbereitschaft auswirkt?
Wir (also die geeigneten Stellen der InsO-Beratung) werden die Standard-Ratenpläne, bzw. die Summe nach dem das "Mindestangebot" etwa i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 und 4 bzw. des § 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO errechnet wird, natürlich in jedem Falle auf die Grundlage von 3 Jahren Abtretungsphase anpassen.
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